Hohes Ansehen

Der „Fürst“, den seine Tschechen so liebten

Schwarzenberg-Plakat im Stil von James Bond 007 im Vorfeld der Parlamentswahl 2013. Seine Partei hieß Top09.
Schwarzenberg-Plakat im Stil von James Bond 007 im Vorfeld der Parlamentswahl 2013. Seine Partei hieß Top09. Getty
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Karel Schwarzenberg war unübersehbar adelig, konservativ, kam aber auch im breiten Volk gut an. Und just die Grünen machten ihn zum Außenminister.

Dass das System in der Tschechoslowakei Ende der 1980er morsch war, ahnte Karl Schwarzenberg in seinem Wiener Exil. Dass es aber im Herbst 1989 einstürzen sollte, hat ihn doch etwas überrascht, wie er Jahre später gestand. 

Dabei hatte er von Wien aus die ČSSR immer im Blick behalten. Nach der Zerschlagung des Prager Frühlings 1968 engagierte er sich im Widerstand gegen das KP-Regime. Er unterstützte Dissidenten und wirkte als Präsident der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte (1984–1991). Auf Schloss Schwarzenberg in Scheinfeld nahe Nürnberg schuf er ein Zentrum zur Förderung unabhängiger tschechoslowakischer Literatur und aus dem Ostblock herausgeschmuggelter Schriften.

Ein großer Gewinn für das Land

Als nach der Samtrevolution 1989 der Literat Václav Havel zum Präsidenten geworden war, folgte Schwarzenberg seinem Ruf nach Prag. Er war lang sein Kanzler (Büroleiter). Schwarzenbergs Beschluss, Wien gegen seine Geburtsstadt Prag zu tauschen, war ein Gewinn für das Land. Nicht nur, dass der „Fürst“, wie ihn die Tschechen liebevoll nannten, half, nach Jahrzehnten Unrechtsherrschaft Freiheit und Demokratie zu etablieren: Auch als Außenminister waren ihm die Menschenrechte immens wichtig, mehr als wirtschaftliche Projekte mit in dieser Hinsicht zweifelhaften Ländern.

Dem damaligen Präsidenten, Václav Klaus (2003–2013), war es daher nicht so recht, ihn als Außenminister zu vereidigen. Er argwöhnte auch, der „Österreicher“ könne nicht tschechische Interessen vertreten. Klaus irrte: Schwarzenberg beantragte nie die österreichische Staatsbürgerschaft. Er war Tscheche und (ein Privileg seines Adelsgeschlechts) Schweizer.

Dass er die Österreicher nicht mit Samthandschuhen anfasste, zeigte er, als er sie wegen ihres Dauerprotests gegen das AKW Temelín „Verrückte“ schimpfte. Nicht nur deswegen änderte Klaus seine Meinung: Der „Fürst“, der von den Grünen nominiert worden war, machte nämlich nie wirklich „grüne“ Außenpolitik. So trat er etwa für die tschechische Radarstation des US-Raketenschirms in Osteuropa ein. Zudem kritisierte er Vorhaltungen westlicher EU-Länder gegenüber den Neumitgliedern in Ostmitteleuropa. Bei einem Besuch auf einem seiner Anwesen nahe Prag diskutierten wir über dieses „Unverhältnis“. Schwarzenberg meinte: „Ich denke, dass man im Westen die Geschichte zu wenig kennt oder ignoriert. Polen etwa hat eine ganz andere Geschichte als viele andere Länder. Freiheit gibt es dort auch noch nicht so lang. Das schafft eine andere politische Kultur als dort, wo es Demokratie dank den Amerikanern seit Kriegsende gibt. Aber eingebildet, wie Westeuropäer sind, sagen sie: ‚Die im Osten reichen nicht an unsere Standards heran.‘ Damit verurteilen sie alles bei uns.“

Solch Direktheit hat ihn freilich den Sieg in der Stichwahl ums Präsidentenamt gegen Miloš Zeman 2013 gekostet. In einer TV-Debatte kritisierte er die Nachkriegsvertreibung der Sudetendeutschen aus dem Land. Heute würde man dafür den damaligen Präsidenten, Edvard Beneš, vor den Strafgerichtshof in Den Haag stellen. Damit konnte Zeman die Wähler mit der Ansage manipulieren, mit Schwarzenberg bekämen die Vertriebenen ihr früheres Eigentum zurück. Unsinn, aber wirkungsvoll. „Das war mir egal“, so der Fürst später. „Man muss sagen, was man richtig und was man falsch findet, unabhängig von Wahlen.“

Stilvoll in der Bierkneipe

Den Tschechen wird er anders in Erinnerung bleiben. Etwa, weil er aus dem Exil neben Weitsicht über den nationalen Rand hinaus auch die im Arbeiter- und Bauernstaat vermisste Noblesse mitbrachte. Äußere Anzeichen: Er führte wieder den Handkuss sowie die Fliege ein. In Kneipen fühlte er sich beim Bier aber auch wohl, gern in Gesellschaft hübscher Frauen. Unvergesslich bleibt seine Art, Dinge sprachlich zu „vernuscheln“, wenn sie ihm unwichtig waren, und natürlich die vielen Male etwa im Parlament, als er als Abgeordneter von Endlosdebatten erschöpft einnickte. „Ich schlafe nicht, ich denke nach“, sagte er dazu.

Eine tschechische Zeitung zitierte am Sonntag einen Witz, den der Fürst jüngst selbst gemacht habe: „Schwarzenberg stirbt. Er steht vor der Himmelspforte und lacht. Petrus schaut verwundert und sagt: ‚Warum lachst Du? Du bist ein großer Sünder, hast getrunken, geraucht, Frauen geliebt.‘ Schwarzenberg lacht weiter und sagt: ‚Na ja, im Parlament werden sie immer noch denken, dass ich schlafe.‘“

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