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Naturhistorisches Museum

Kalt, faszinierend, bedroht

Der arktische Ozean ist reich an Naturwundern; präparierte Eisbärin aus dem Tiergarten Schönbrunn; Modell des Polarforschungsschiffes Admiral Tegetthoff.
Der arktische Ozean ist reich an Naturwundern; präparierte Eisbärin aus dem Tiergarten Schönbrunn; Modell des Polarforschungsschiffes Admiral Tegetthoff.NHM Wien, A. Schumacher
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Schau. Das Naturhistorische Museum entführt in der neuen Ausstellung in die Arktis und zeigt eine „polare Welt im Wandel“.

Eine zu voller Größe aufgerichtete präparierte Eisbärin, Papageitaucher, Schneehase, Polarwolf, aber auch Tiere der arktischen Unterwasserwelt, ein Originalbohrkern aus dem arktischen Permafrost, Werkzeuge der Forschungsarbeiten am Grönländischen Eisschild und vieles mehr: Die neue Ausstellung „Arktis – Polare Welt im Wandel“ im Naturhistorischen Museum Wien lässt tief und facettenreich in eine kalte Umgebung eintauchen, die in den letzten Monaten und Jahren in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangt ist. „Waren es zunächst ‚bloß‘ die Bilder von hungrigen Eisbären, die Müllhalden arktischer Gemeinden stürmten, so ist das immer raschere Dahinschmelzen des arktischen Eises inzwischen ein jahreszeitlich wiederkehrendes Thema in den Medien“, sagt Ausstellungskurator Andreas Hantschk.

Komplexe Ökosysteme

Die Schau im Naturhistorischen Museum zeigt nicht nur die verschiedensten Ökosysteme der Arktis, sondern geht auch auf Fragen ein wie: Warum erwärmt sich die Arktis bis zu vier Mal schneller als der Rest der Welt? Wie wird sich die Arktis in einigen Jahren und Jahrzehnten verändern? Und was bedeutet das für die arktische Flora und Fauna? Für die Sonderausstellung hat man im Naturhistorischen Museum Wien nun sechs statt wie bisher vier Kabinette sowie zwei Sonderausstellungsräume zur Verfügung – und somit eine Ausstellungsfläche von rund 700 Quadratmetern. Die Schau, die gemeinsam mit Apri, dem Austrian Polar Research Institute, entstanden ist, wird bis 22. September 2024 zu sehen sein.

Zu Beginn geht man darauf ein, was man überhaupt unter Arktis versteht, ist doch die südliche Grenze nicht immer eindeutig definiert. Auch wird den Ausstellungsbesuchern und -besucherinnen auf anschauliche Weise erklärt, warum es in der Arktis so kalt ist; die Rollen von Reflexionsvermögen (Albedo), geringer Luftfeuchtigkeit und Luft-Zirkulationssystemen der Erde werden beleuchtet. Den Inhalten und Objekten eines Naturkundemuseums entsprechend liegt der Fokus der Ausstellung auf der Arktis als Naturraum. Vor allem wird die Tierwelt vorgestellt, ob im Meer oder an Land, ob im Eis oder in der Tundra. „Das Naturhistorische Museum möchte mit der Ausstellung die Schönheit, Verletzlichkeit und Bedrohung der Arktis und ihrer Lebensgemeinschaften zeigen“, erklärt die Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums Wien, Katrin Vohland, die Schau.

Weltweite Veränderungen

Die deutlich sichtbaren und messbaren Auswirkungen des Klimawandels, aber auch die geopolitischen Veränderungen sind natürlich wichtige Themen der Ausstellung. „Arktis – Polare Welt im Wandel“ zeigt die Rollen dieses einzigartigen Ökosystems aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Sie möchte auch darauf aufmerksam machen, dass die Arktis durch ihre entscheidende globale Rolle heute enger denn je mit dem Leben aller Menschen verbunden ist. „Die Veränderungen dort wirken sich auch auf uns aus“, fügt Vohland hinzu. Der Fokus auf die arktischen Breiten sei seit Beginn der Planungen der Präsentation vor ein paar Jahren zuletzt „noch aktueller geworden“, so die Generaldirektorin. Man entführt mit der Ausstellung in eine faszinierende, kalte Welt, die durch Abfall, Lärm, Schadstoffeintrag und die globale Erwärmung verändert wird.

Modell des Polarforschungsschiffes Admiral Tegetthoff.
Modell des Polarforschungsschiffes Admiral Tegetthoff.NHM Wien, A. Schumacher

Forschungsjubiläum

Außerdem möchte man der Frage nachgehen, warum Österreich in der Arktis forscht. Denn Initialzündung für die Ausstellung, wenngleich nicht thematischer Mittelpunkt, ist ein Jubiläum: Vor 150 Jahren, am 1. November 1873, wurde von Mitgliedern der „ersten österreichisch-ungarischen Nordpolar-Expedition“ erstmals ein neu entdeckter arktischer Archipel betreten. Obwohl das Expeditionsschiff Tegetthoff, das mit dem Ziel aufgebrochen war, das Nördliche Eismeer zu erkunden und die Nordostpassage zu finden, verloren ging und das Ziel der Reise, die Befahrung der Nordostpassage, verfehlt wurde, gilt die Expedition als Erfolg. Franz-Josef-Land wurde entdeckt und zahlreiche wissenschaftliche Aufzeichnungen und Präparate wurden mitgenommen. Letztere finden sich zum Teil noch im Depot des Naturhistorischen Museums. Manche werden nun gezeigt, außerdem gibt es in der Ausstellung ein Modell des Expeditionsschiffes. Aus den Erfahrungen der Expedition entwickelte einer der Expeditionsleiter, Carl Weyprecht, grundlegende Thesen für eine moderne Polarforschung.

Polarforscher von heute werden in der Ausstellung vor den Vorhang geholt. Sie berichten in Videoausschnitten von ihren aktuellen Forschungsschwerpunkten. So erklärt etwa die an der Universität Innsbruck tätige Geologin und Höhlenforscherin Gina Moseley, wonach sie in den nördlichsten Höhlen der Welt auf Grönland sucht, oder der Biologe Günter Köck vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), was es mit seinen Langzeitmessungen der Quecksilberkonzentration in arktischen Fischen auf sich hat.

Präparierte Eisbärin aus dem Tiergarten Schönbrunn.
Präparierte Eisbärin aus dem Tiergarten Schönbrunn.NHM Wien, A. Schumacher

Begrüßt werden die Besucherinnen und Besucher von der imposant aufgerichteten Eisbärin, die 2022 im Tiergarten Schönbrunn verstorben ist und nun im Museum präpariert ein „zweites Leben“ bekommt. „Oft wird gefragt, ob es auch in 100 Jahren noch Eisbären geben wird“, erzählt Ausstellungskurator Andreas Hantschk – und zieht diese als ein Beispiel für die Veränderung der Arktis heran. „Die durchaus berechtigte Sorge zeigt gleichzeitig, dass Lebewesen mitunter zu erstaunlichen Reaktionen auf Veränderungen befähigt sind. Mischlinge zwischen Eisbären und Grizzlys werden in den letzten Jahren immer häufiger. Die hellbraunen Bären (,Cappuccinobären‘) zeigen Merkmale beider Arten, können sich weiter fruchtbar fortpflanzen und so vielleicht eine Population begründen, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommt als Eisbären. Eine mit Sicherheit emotional besetzte Geschichte, die hier nur erzählt, aber nicht bewertet werden soll.“

Generell wolle man mit allen Beiträgen zum Klimawandel in der Ausstellung „nicht nur informieren, sondern zum Weiterdenken und -handeln anregen. Denn das Schicksal der Arktis kann uns nicht egal sein.“

Information

„Arktis – Polare Welt im Wandel“,
bis 22. September 2024, Sonderausstellung in sechs Kabinetten und zwei Sonderausstellungssälen,
Naturhistorisches Museum Wien,
Burgring 7, 1010 Wien

www.nhm.at 


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