Bildungsdebatte

Franzobel: Die Schule ist ja kein Kaffeehaus!

Schon die Volksschullehrerin hat mich ständig ermahnt, nicht so zu lümmeln.
Schon die Volksschullehrerin hat mich ständig ermahnt, nicht so zu lümmeln.Frommann/laif/Picturedesk
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In fortschrittlichen Schulsystemen wurden nicht nur Noten, sondern auch Klassenzimmer und Schulfächer abgeschafft. Hier Wege zu finden, vorhandene Talente zu fördern und gleichzeitig eine Herzensbildung zu schaffen ist eine Riesenaufgabe.

Ein sonnendurchfluteter Tag im Frühjahr 1986, in Tschernobyl war ein Reaktor hochgegangen, Kurt Waldheim hatte bei der Präsidentschaftswahl die Absolute knapp verpasst, Österreich litt an Frostschutzmittelwein-Nachwehen, die Eurythmics sangen von „Sweet Dreams“, und ich war der glücklichste Mensch im Universum. Matura!

Wenn man keine zwanzig ist, glaubt man, damit einen Freifahrtschein durchs Leben zu haben. Nun war ich weder ein besonders guter noch ein schlechter Schüler, obwohl ich im Lernen lange Zeit den unlauter verschafften Vorteil gegenüber Mitschülern gesehen habe. Mir war die Schule weder verhasst, noch habe ich sie gemocht. Sie glich der Werbung vor dem Film – laut, bunt, rechthaberisch und ein wenig verlogen.

Aber Werbung riecht zumindest (noch) nicht – im Gegensatz zur Schule, auf deren Mischung aus Kinderschweiß, Kantinenessen, Putzmittel und Garderobe ich geradezu körperlich reagiert habe. Schon die Volksschullehrerin hat mich ständig ermahnt, nicht so zu lümmeln, wir wären schließlich nicht in einem Kaffeehaus. Das gestrenge Fräulein hatte bestimmt nicht unrecht, nur war mir ein Kaffeehaus so fremd wie die Proszeniumsloge in einem transatlantischen Opernhaus. In meiner ruralen Heimat gab es so was nicht, und Sketches mit Ossy Kolmann oder Hilli Reschl standen nicht auf meiner Playlist. Der Mathematikprofessor verkündete, ich sei dermaßen faul, dass Moos auf meinem Sessel wachse. Dabei ist mir Mathematik gelegen, im Gegensatz zu Deutsch, wo mich falsch gesetzte Beistriche auf ein ewiges Befriedigend festnagelten. Merkwürdigerweise haben viele meiner ehemaligen Klassenkollegen später justament das zu ihrem Beruf gemacht, was ihnen in der Schule die meisten Probleme bereitet hatte.

Wenn man in der falschen Schule sitzt

Ich wusste, mein Leben würde nichts ­mit dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm oder axialen Flächenträgheitsmomenten zu tun haben. Wissen kann man so was nie, aber wenn man in der falschen Schule sitzt?! In einer HTL für Maschinenbau? Ich war nach einer Woche gewiss, dass das der komplett falsche Schultyp ist. Ich wusste aber auch, ein Fortkommen ist nur mit der Matura möglich.

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