Interview

Kinderbuchautorin Funke: „Freundschaft ist für mich das kostbarste Wort auf Erden“

Die Kinderbuchautorin Cornelia Funke an ihren Schreibtisch in ihrem Haus in Volterra.
Die Kinderbuchautorin Cornelia Funke an ihren Schreibtisch in ihrem Haus in Volterra. Michael Orth
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„Nichts macht ängstlicher als ein Leben, das jeden Tag dasselbe ist“, sagt Cornelia Funke. Ihres ist geprägt von vielen gewollten und ungewollte Zäsuren. Warum die so erfolgreiche Kinder- und Jugendbuchautorin nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes mit ihren Kindern in Kalifornien blieb und weshalb es gut ist, keine Frustrationstoleranz zu haben, sagte sie der „Presse am Sonntag“.

Sie sind gleich nach der Matura von ihrem Geburtsort Dorsten in Nordrhein-Westfalen nach Hamburg gezogen, 2005 mit Ihrem Mann und Ihren Kindern nach Kalifornien ausgewandert, 2021 wieder nach Europa zurückgekehrt, und nun leben Sie in einem Haus in der Toskana. Sie mögen es, sich zu verändern?

Cornelia Funke: Eigentlich nicht. Im Grunde bin ich ein absoluter Routinemensch. Aber das Leben hat mich gepusht, immer wieder. Mit 17 bin ich aus meiner Heimatstadt weggegangen, weil es mir da zu eng war und ich das Gefühl hatte, dort nicht hinzupassen. Mir hat einmal jemand gesagt – und er meinte das als Vorwurf –, ich hätte keine Frustrationstoleranz. Ich halte das für eine große Tugend. Wenn ich das Gefühl habe, ich entferne mich von meinem Lebensweg, ich bin an einem Ort, der mich nicht inspiriert und weiterbringt, dann handle ich, so angenehm kann die Routine gar nicht sein.

Handeln heißt, Sie brechen Ihre Zelte ab und ziehen woanders hin?

Ja. Ich glaube, dass wir in uns eine Landkarte mit Orten haben, an denen Teile unseres Lebens warten. Manche holen wir nie ab. Ich habe bestimmt auch einige ausgelassen, aber zu ein paar sollten wir schon reisen. Es ist oft überraschend, welche das sind. Ich hätte nie gedacht, dass zu meinen Orten Los Angeles und die Toskana gehören.

Warum sind Sie und Ihre Familie dann nach Los Angeles gezogen?

Zum einen aus beruflichen Gründen: Wir mussten immer öfter in die USA reisen, weil dort meine Bücher so unglaublich herzlich aufgenommen wurden. Einmal flogen wir nach Kalifornien zu einer Buchmesse, wo mir der Preis der unabhängigen Buchhändler Amerikas verliehen wurde. Ich weiß noch, wie wir geschimpft haben, dass wir nach LA müssen, alle, die ganze Familie: „Was sollen wir denn da? New York und Washington wären doch viel interessanter.“ Und dann stand ich wenig später am Strand und sah den Pazifischen Ozean. Da war ein Pier mit einer Achterbahn, und ich dachte mir: „Das kann doch nicht wahr sein, so darf ein Strand nicht aussehen. Hier ist alles falsch.“ Und plötzlich merkte ich, dass diese Umgebung, die mir völlig unvertraut war, etwas mit mir macht. So ging es uns allen. Nach und nach fingen wir an, uns immer mehr in dieses Kalifornien, das ganz anders ist als Europa und der Rest der Vereinigten Staaten, zu verlieben – und in die wunderbare Natur. Nachdem mein Mann, Rolf, und ich ohnehin vorhatten, irgendwann einmal ein Jahr im Ausland zu leben, entschieden wir uns, für drei Monate etwas in der Nähe vom Strand zu mieten und danach unsere Kinder zu fragen, ob sie länger bleiben wollen. Nach zwei Monaten sagten sowohl mein Sohn als auch meine Tochter, sie wollen es versuchen. Dass mein Mann neun Monate später an Krebs sterben würde, konnte damals niemand von uns erahnen.

Der plötzliche Tod Ihres Mannes führte also nicht dazu, dass Sie Ihre Zelte in den USA abbrachen und in Ihre Heimat zurückkehrten, auch nach einem Jahr nicht. Warum eigentlich?

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