Selbst dort, wo wir glauben, „in die Natur“ zu gehen, stoßen wir auf Almhütten, Skipisten oder Beschneiungsanlagen.
Umwelt

Wie schön wäre es im Urwald!

Wenn wir Landschaft sagen, sieht jeder etwas anderes: Der Geologe liest die Spuren der Erdgeschichte, der Bauer sieht die Bewirtschaftung, die Architektin die Hauslandschaft, der Investor die Bebaubarkeit, die Touristin den idyllischsten Picknickplatz.

wir sind die menschen auf den wiesen

bald sind wir die menschen unter den wiesen

und werden wiesen, und werden wald

das wird ein heiterer landaufenthalt

Ernst Jandl: „sommerlied“

Wenn wir im alltäglichen Sprachgebrauch Landschaft erwähnen, so wissen alle, was gemeint ist. Sobald wir aber Exaktes wissen wollen, ufert das Thema in alle Richtungen aus. Als vor 115 Jahren unsere Sicht auf die Welt noch etwas schlichter war, definierte Meyers Lexikon „Landschaft“ folgendermaßen: „(. . .) jeder Ausschnitt der Erdoberfläche, den wir von einem bestimmten Standort aus zu überblicken vermögen, bis im Horizont oder Gesichtskreis Erde und Himmel zusammenzustoßen scheinen“. Mit dieser Erklärung bleibt Landschaft ein visuelles, subjektiv erlebbares Phänomen, ist damit doch lediglich die vom individuellen Gesichtsfeld begrenzte (Erd-)Oberfläche angesprochen. Aber: Wie dünn oder dick ist diese Fläche? Sind jene Tiefen damit noch gemeint, in denen Bäume wurzeln, oder aus denen Quellen entspringen, welche die Erdkruste nähren? Zählt auch der Bergbau dazu, der das Innerste nach außen kehrt, neue Berge auftürmt oder Landstriche verwüstet? Bis zu welcher Höhe reicht die Landschaft? Sind auch Wolken Teil der Landschaft, deren Ausbleiben blühende Ländereien rasch in Steppen und ferner in Wüsten verwandeln? Gehört die Fauna auch zur Landschaft? Schenkt man der wunderbaren Landschaftsmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts Glauben, dann gehören nicht nur Tiere, sondern auch Menschen der Landschaft an. Und natürlich Bauten – die im Dialog mit der Natur der Landschaft eine akzentuierte Stimme verleihen. Wo also verläuft die Grenze zwischen Landschaft, Mensch und Natur? Und unterscheidet sich Landschaft überhaupt von Welt?

Es zeigt sich einmal mehr, wie sehr sich die Welt und unsere Sicht der Welt im Lauf der vergangenen hundert Jahre verändert haben. Sprechen wir den bei Meyer die Landschaft begrenzenden Gesichtskreis an, fragt man sich, ob im selben Landschaftsausschnitt überhaupt zwei Personen dasselbe sehen: Der Geologe liest die Spuren der Erdgeschichte, der Bauer sieht die Bewirtschaftungsmöglichkeiten, die Architektin die Hauslandschaft, der Investor die Bebaubarkeit, die Touristikerin das Unterhaltungspotenzial, der Urlauber den idyllischsten Picknickplatz, die Fotografin sucht das beste Licht, und der Dichter sucht nach Worten. Unser Landschaftsbild wird von Interessensgruppen gelenkt, ist Manipulationsziel politischer Ideologien und umkämpftes Feld ungleicher Intentionen. Und die gewohnte, alltäglich gesehene Umgebung ist für uns Menschen ohnehin ein blinder Fleck. Wir erkennen die Alarmsignale der Landschaft nicht mehr. Landschaft ist ein mit den Lebensumständen des Menschen untrennbar verwobenes Stück Natur. Es liegt an uns, ob wir sie auf ein Spekulationsobjekt reduzieren oder als Lebensgrundlage verstehen und als Quelle der Erholung, Inspiration und Poesie wertschätzen.

Die Ökologie ist leicht zu verstehen

Da spielt sich in einer gerade einmal acht Kilometer dünnen Membran, die sich um die Erde spannt, etwas ab, das wir Leben nennen, und das in einer unendlichen Zahl an Interaktionen, Stoffkreisläufen, Folgewirkungen und menschlichen Einflüssen die Voraussetzung auch unserer eigenen Existenz darstellt. Wir nennen unseren Anteil Wirtschaft, Land-, Haus- und Städtebau, Heilwesen, Bildungswesen, Kultur, Verkehr und Tourismus, Jagd, Kunst und Dichtung. Ein jüngerer Blick auf die Welt hat die Wechselwirkungen in den Vordergrund gerückt. Wichtiger als die Dinge werden die Verhältnisse zwischen allen Dingen. Wir sprechen von „systemischer Sichtweise“. Fast alle Wissenschaft beschreibt Systeme, Kausalitäten, Abhängigkeiten, Zusammenhänge: die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, die Natur- und Kulturgeschichte. Die Ökologie ist eine typische Systemwissenschaft, zumeist ist sie leicht zu verstehen. Etwa: dass schwere Bearbeitungsmaschinen den Untergrund verdichten, dass der Boden an Porosität verliert und damit wenig Wasser aufzunehmen und zu speichern in der Lage ist. Regenwasser läuft in der Folge schneller ab, führt in den Niederungen zu Überschwemmungen und auf den Höhen früh zu Trockenheit und Brandgefahr.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.