Culture Clash

Linker Hass auf Israel, Teil 2

Linker Hass auf Israel, Teil 2. Das Beispiel des marxistischen Philosophen Roger Garaudy, der sogar zum Holocaust-Leugner wurde, ist immer noch aktuell. 

Nachdem ich hier über Antisemitismus in der heutigen, woken Spielart der Linken geschrieben hatte, urgierte ein Leser eine Ehrenerklärung für den klassischen Marxismus, der, weil antifaschistisch, immer auch gegen Antisemitismus sei. Die Wirklichkeit ist aber komplexer. Ein illustres Beispiel ist Roger Garaudy, einst Chefideologe der Kommunistischen Partei Frankreichs, der vor 25 Jahren wegen Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt wurde.

Garaudy, geboren 1913 und seit Studientagen Kommunist, war Philosoph, Abgeordneter und Senator sowie Mitglied der Akademie der Wissenschaften der Sowjetunion, bis er „Eurokommunist“ und Revisionist aller Genres wurde: Nach dem Parteiausschluss 1970 („Die Sowjetunion ist kein sozialistischer Staat“) kam ein katholisches Intermezzo („Der Christus des Paulus ist nicht Jesus“) und die Konversion zum Islam („Islamismus ist ein kranker Islam“). Immer aber blieb er Marxist.

Zum Skandal wurde 1995 sein Buch „Die Gründungsmythen der israelischen Politik“. Garaudy warf dem Zionismus nicht nur vor, den Holocaust zu instrumentalisieren, um den Anspruch auf Israel zu sakralisieren und tabuisieren. Sondern er verweist auch die Shoah ins Reich der Mythen: Die Nazis wollten die Juden nur vertreiben. Es „gab nur Zehntausende Opfer“, vor allem durch Typhus. Sogar das „Tagebuch der Anne Frank“ wird zum „Roman, wunderbar bewegend, der die Wirklichkeit ersetzt“. Alles ein vom Zionismus gefälschtes Narrativ.

Woher dieser Furor? Im Vorwort macht es Garaudy ganz klar: Israel sei „ein unsinkbarer Flugzeugträger der jetzigen Herren der Welt, der USA, die sich das Öl des Mittleren Ostens aneignen wollen, den Nerv des Wachstums westlicher Art (ein Modell des ,Wachstums‘, das durch die Vermittlung des IWF die Dritte Welt alle zwei Tage das Äquivalent eines Hiroshima kostet)“. Israel sei Kollaborateur des Kapitalismus, der damit sogar den Antifaschismus für sich dienstbar mache. 

Garaudy hat massive Kritik auch von links erfahren. Und eine Verachtung der „jüdischen Rasse“ ist weder bei ihm noch sonstwo bei Marxisten maßgebend. Eine antiisraelische Anfälligkeit scheint aber bei jenen, die den Kapitalismus, die USA und das „westliche Modell“ für das oberste Weltübel halten, weiterhin verbreitet zu sein: Eine – allerdings schleißige – Studie ortete etwa 2012 in der Partei Die Linke bei 17 Prozent „antiisraelischen Antisemitismus“ und bei weiteren 19 Prozent „Abgrenzungsprobleme“, vor allem „im antiimperialistischen und orthodox-kommunistischen Spektrum“ und als Teil einer „,völkischen‘ Kapitalismuskritik“.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

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