Die ÖVP und der Verfolgungswahn

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Gerhard Hofer
stv. Chefredakteur

Gerhard Hofer
 

Guten Morgen,

ich hatte in den vergangenen Tagen ein paar interessante Begegnungen mit ÖVP-Politikern und ÖVP-Sympathisanten. Und irgendwie habe ich dabei den Eindruck gewonnen, dass einige in der Partei unter einem regelrechten Verfolgungswahn leiden. Und die Verfolger sind natürlich wir, die Medien.

Ich beginne etwa mit Finanzminister Magnus Brunner: Der hat jüngst in der „Kronen Zeitung“ lesen müssen, dass „Österreich auf dem Weg zum Schuldenkaiser in der EU“ ist. Das ist jetzt auch ein bisschen verständlich, dass so ein Titel einen Finanzminister aufregt. Noch wenige Tage davor wurde er in Berlin mit dem Mittelstandspreis für die Abschaffung der kalten Progression ausgezeichnet. Dann das. Da fühlt man sich dann natürlich wie der Prophet im eigenen Land. Brunner ärgerte vor allem, dass Österreich „mittlerweile höher verschuldet als Griechenland“ sei. Die „Krone“ bezog sich auf eine Berechnung der Agenda Austria.. Die rechnete die Pro-Kopf-Verschuldung aus.

Im „Presse“-Talk betonte Brunner schließlich, dass „seriöse Wirtschaftsforscher und Journalisten“ immer die Schuldenquote gemessen am BIP heranziehen. Da liegt Österreich bei 77 Prozent und Griechenland bei 150 Prozent. Österreichs Wirtschaftsleistung sei doppelt so hoch wie jene Griechenlands. „Wir gehören zu den Besten“, betont Brunner.

Brunner fühlt sich also ein bisschen verfolgt, er stellt sich aber seinen vermeintlichen Verfolgern. Zum Unterschied etwa zu Karl Nehammer. Der Kanzler hat sich seit seinem verunglückten „Burger-Sager“ in der Öffentlichkeit ziemlich rargemacht. Mittlerweile sagt die Burger-Jagd ja ohnehin mehr über die Jäger aus. Dass die Gesellschaft für Österreichisches Deutsch „Kanzlermenü“ zum „Wort es Jahres“ gekürt hat – dicht gefolgt von „Klimakleber“, „Bodenfraß“ und „Gierflation“, zeigt, dass ihr Sitz ganz gut in das kommunistische Graz passt. Egal.

Der Kanzler lässt also in jüngster Zeit Termine platzen. Etwa seinen Auftritt beim Mediengipfel in Lech am Arlberg. Da war auch viel Neuschnee rundherum. Apropos Burger: Ich diskutierte dort mit Wirtschaftskammer-General Karlheinz Kopf, IHS-Chef Holger Bonin und dem Verhaltensökonomen Matthias Sutter vom Max-Planck-Institut über Armut. Und während Sutter durchaus attestierte, dass wir uns in Österreich gern ärmerrechnen, als wir tatsächlich sind, warnte Bonin davor, dass die Mittelschicht sehr leicht in Schieflage geraten könnte. Dass hier kaum Reserven da sind. Während wir also die ganze Zeit über Reich und Arm debattieren, spielt sich das Dilemma in der Mitte ab. Wie sehr sich die Mittelschicht verfolgt fühlt, entnimmt man aber ohnehin den diversen Umfragen für die Nationalratswahl im nächsten Jahr.

Noch eine Sache verfolgt man in der ÖVP dieser Tage mit – sagen wir – Argwohn: Die Postenschacherei im grünen Umweltministerium. Dort hat sich bekanntlich Leonore Gewesslers Generalsekretär Herbert Kasser, der noch dazu im Aufsichtsrat der Asfinag saß, für den Vorstandsposten in der Asfinag beworben und – große Überraschung – diesen auch bekommen. Die Sache ging beinahe geräuschlos über die Bühne. Okay, meine Kollegin Hanna Kordik hat das seit Langem kommen gesehen und im November spitz kommentiert: „Das hat was: ein Aufsichtsratsmitglied und überdies ein für das Beteiligungsmanagement Zuständiger, den es nun in den ­Vorstand des in seiner Verantwortung stehenden staatlichen Unternehmens zieht. Aber es sind ja auch höchst ungewöhnliche Zeiten.“

Auf jeden Fall schäumt man in der ÖVP: „Wenn wir so einen Postenschacher gemacht hätten, hätte man uns durch Sonne und Mond geschossen“, heißt es da. Das wäre ja fast so, als würde sich – sagen wir – der Generalsekretär im Finanzministerium selbst zum Öbag-Vorstand bestellen. Nicht auszudenken, was das für Folgen haben könnte.

Ich halte es ja mit Woody Allen. Der US-Komiker und Regisseur meint: „Nur weil jemand unter Verfolgungswahn leidet, heißt das nicht, dass er nicht dennoch verfolgt wird.“

Mir bleibt nur noch, Ihnen eine angenehme Woche zu wünschen. Und bitte verfolgen Sie mich weiter.

Es grüßt Sie sehr herzlich,

Gerhard Hofer

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