Anthropologie

Das Leben der Männer in der Jungsteinzeit war leichter als das der Frauen

Rekonstruktion einer steinzeitlichen Hütte aus Schilfrohr. <em>Symbolbild. </em>
Rekonstruktion einer steinzeitlichen Hütte aus Schilfrohr. Symbolbild. IMAGO/imageBROKER/Lars Johansson
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Aus Unterschieden an den Skeletten schließen Forscher auf kulturelle Ungleichbehandlung in der frühen Jungsteinzeit. Knaben wurden in harten Zeiten wohl gegenüber Mädchen bevorzugt.

Kräftezehrend war es, das Leben in der frühen Jungsteinzeit. Wohl insgesamt, aber für die einen doch mehr als für die anderen. Denn eine Studie zeigt nun, dass die ersten Bäuerinnen Europas ein anstrengenderes Leben als ihre männlichen Begleiter hatten. Warum kommen das Forscherteam (mit österreichischer Beteiligung) zu diesem Schluss? Weil der Größenunterschied zwischen Männern und Frauen damals weit ausgeprägter war als heute. Laut Skelettanalysen gibt es dafür aber keine erblichen, krankheits- oder ernährungsbedingten Ursachen. Darum machen die Forscher im Fachjournal „Nature Human Behaviour“ kulturelle Ungleichbehandlung dafür verantwortlich.

Die US-Genetikerin Samantha Cox (Universität Pennsylvania) inspizierte mit Kollegen die Überreste von 1.535 Jungsteinzeit-Bäuerinnen und -Bauern, die vor 8000 bis 6000 Jahren in Europa lebten. Die Forscherinnen und Forscher lasen das Erbgut dieser Menschen aus. Gewannen Einblicke in ihre Ernährung, indem sie in die Knochen eingebaute chemische Elemente analysierten. Sie maßen die Oberschenkelknochen, aus deren Länge man auf die Körpergröße schließen kann. An den Zähnen und Knochen fanden sie wiederum Hinweise auf Krankheiten.

Größenunterschiede heute (fast überall) geringer

Die Größenunterschiede zwischen Männern und Frauen waren in dieser Zeit laut der Analyse viel ausgeprägter als heute, so das Team, zu dem auch Nicole Nicklisch und Kurt Alt vom Zentrum für Natur- und Kulturgeschichte des Menschen der Danube Private University in Krems (NÖ) gehören: In modernen Gesellschaften weltweit beträgt das Größenverhältnis der beiden Geschlechter zwischen 1,06 und 1,08. Das heißt, dass einer 1,70 Meter großen Frau statistisch gesehen ein Mann gegenübersteht, der zwischen 1,80 und 1,84 groß ist.

In der Jungsteinzeit war der Größenunterschied in Europa nördlich von Österreich „außerordentlich“ ausgeprägt. Das Verhältnis lag laut den Forschern nämlich bei 1,14. Im südlichen Mitteleuropa - wozu auch Österreich zählt - betrug es 1,09 und am Balkan 1,11. Nur in manchen Gesellschaften der modernen Welt, wie etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Indien, gäbe es laut wissenschaftlicher Literatur heutzutage Werte in der Höhe von 1,10, und diese seien für ihre „kulturelle Vorliebe für männliche Kinder bekannt“.

Für die jungsteinzeitliche Größendiskrepanz gäbe es keine erkennbaren genetischen, ernährungs- oder krankheitsbedingten Ursachen, erklären die Forscher. Die frühen Bäuerinnen und Bauern hatten damals anstrengende Leben und waren kleiner sowie kränker als die Jäger und Sammler in der Altsteinzeit. Dieser Stress wurde wohl durch Bevorteilung beim männlichen Geschlecht stärker abgefedert als beim weiblichen Geschlecht, was sich in den Körpergrößen niederschlug, meinen die Wissenschafter. Weil Vieh und Getreide umso schlechter gediehen, je nördlicher man lebte, waren die Unterschiede im nördlichen Mitteleuropa deutlicher als im südlichen.

Anders im Mittelmeerraum

Nur im Mittelmeerraum gab es offensichtlich keine Bevorzugung der Männer. Davon zeugt ein quasi „übermodernes“ Geschlechtergrößenverhältnis von 1,05. Die Männer dort zählten zudem zu den kleinsten im jungsteinzeitlichen Europa. (APA/red.)

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