Nachlese: Prozesstag 6

Schmid vor Gericht: „An Kurz vorbei? Nein, das kannst du nicht machen“

Thomas Schmid (l.) und sein Anwalt Roland Kier am Freitag auf dem Weg in den Verhandlungssaal.
Thomas Schmid (l.) und sein Anwalt Roland Kier am Freitag auf dem Weg in den Verhandlungssaal.APA / APA / Helmut Fohringer
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Ex-Kanzler Sebastian Kurz wird falsche Beweisaussage rund um die Staatsholding Öbag vorgeworfen – er bestreitet. Deren Ex-Chef, Thomas Schmid, belastet seinen einstigen Vertrauten schwer. Kurz‘ Verteidigung versucht indes, Schmid als unglaubwürdig darzustellen. „Die Presse“ war live im Gericht dabei.

„Hat sich an Ihren persönlichen Verhältnissen oder an Ihrer Verantwortung irgendetwas geändert?“, lautete die erste Frage, die Richter Michael Radasztics an diesem Freitag – dem sechsten Verhandlungstag – an die beiden Angeklagten Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli richtete. Sowohl der ehemalige Bundeskanzler als auch sein einstiger Kabinettschef (beide ÖVP), denen falsche Beweisaussage vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa Ibiza des Jahres 2020 vorgeworfen wird, verneinten dies. In anderen Worten: Sie weisen die Vorwürfe nach wie vor von sich.

Anders dagegen der Ex-Generalsekretär im Finanzministerium sowie Ex-Vorstand der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid. Letzterer war bereits am Montag einvernommen worden – zuerst von Richter Radasztics, sodann von den Verteidigern Otto Dietrich (Kurz) und Werner Suppan (Bonelli). Ein unüblicher Vorgang, denn normalerweise stellen nach dem Richter die anklagenden Oberstaatsanwälte die Fragen. Die Verteidigung aber hatte einen entsprechenden Antrag gestellt und das Überholmanöver zugesprochen bekommen. 

So kam es, dass sich Gregor Adamovic und Roland Koch doppelt gedulden mussten – denn bevor sie ihre erste Frage an den Zeugen richten konnten, hatte der Richter noch ein paar ergänzende, die ihm am Montag „durchgerutscht“ seien, wie er selbst meinte. Konkret wollte Radasztics von Schmid erfahren, wie er mit dem damaligen Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zusammengearbeitet habe. „Sehr professionell“ sei der „Mann aus der Wirtschaft“ gewesen, sagte Schmid über seinen Ex-Chef. Und er gab an, Löger informiert zu haben, dass er den Posten als Öbag-Vorstand haben wollte. Löger habe das „positiv“ aufgenommen, meinte Schmid. 

Schmid: Personalfragen waren Kurz wichtig

Radasztics hielt ihm daraufhin eine Aussage Lögers aus dem Ermittlungsverfahren entgegen, wonach Löger gesagt habe, dass er den Kanzler nicht nach seiner Meinung oder Zustimmung gefragt habe. Der Richter ortete darin einen Widerspruch zu Schmids Aussagen, wonach mit dem Bundeskanzleramt eine „sehr engmaschige Abstimmung“ stattgefunden habe. Schmid konnte „nicht nachvollziehen“, warum Löger die „Rolle des Kanzleramts außen vor lässt“ und hielt fest, bei seinen Aussagen bleiben zu wollen. 

Sodann war Oberstaatsanwalt Adamovic an der Reihe und hielt Schmid einige Chatnachrichten aus den Jahren 2017 bis 2019 vor. Unter anderem wurde der Zeuge mit einer Nachricht von Kurz vom 1. Dezember 2017 konfrontiert, in der es hieß: „Du machst das echt großartig.“ Schmid schilderte dazu, dass Kurz sein Team immer wieder gelobt habe – und informiert sein wollte: „Eine Öbag oder ein Budget könntest du im System nicht ohne eine Rückendeckung oder Unterstützung machen. An Kurz vorbei? Nein, das kannst du nicht machen.“ Insbesondere Personalfragen seien Kurz sehr wichtig gewesen.

Das Thema Sobotka „gehört nicht hierher“

Dem Richter wiederum war es am Freitag wichtig, fokussiert zu bleiben. So bat er Kurz und Bonelli, sich auseinanderzusetzen, nachdem sich Schmid darüber beklagt hatte, sich nicht konzentrieren zu können, da hinter ihm so laut geredet werde. Und er mahnte die Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), bei ihrem zentralen Vorwurf zu bleiben. Als nämlich Adamovic und Koch den damaligen wie aktuellen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) zu sprechen kamen und Schmid meinte: „Mit dem Herrn Sobotka mussten wir keine Aufsichtsräte abstimmen“, drehte Radasztics das Thema gleich wieder ab: Es führe an dieser Stelle eindeutig zu weit, nach etwaigen Interventionen von Sobotka zu fragen.

Keinen Einwand hatte der Richter bei Fragen nach dem Industriellen Siegfried Wolf. Letzterer war als Vorsitzender des Aufsichtsrates der neuen Öbag im Gespräch – wurde es letztlich aber nicht, obwohl Kurz ihn gerne in dieser Position gesehen hätte, sagte Schmid. Allerdings: Sanktionen seitens Russlands sprachen wohl dagegen. Dennoch habe sich Wolf mehrfach damit gebrüstet, dass er „eng“ mit Kurz sei – wohl, „um seine Wichtigkeit zu betonen“. Nichtsdestoweniger sei am 15. Februar 2019 der Aufsichtsrat der Staatsholding bestellt worden und nicht Wolf, sondern Helmut Kern als dessen Präsident eingesetzt worden.

Neue Zeugen im Jänner?

Nach den Vertretern der WKStA durften die Verteidiger Dietrich und Suppan noch Ergänzungsfragen stellen, im Zuge derer sie versuchten, die „Glaubwürdigkeit von Schmid zu erschüttern“. Unter anderem wurden Chats zwischen Schmid und einem Journalisten der „Kronen Zeitung“ zitiert sowie zwischen Schmid und ÖGB-Chef Wolfgang Katzian, in denen es um die Entsendung von Belegschaftsvertretern in die Öbag ging. Zudem beantragte die Verteidiger die Ladung jener Geschäftsleute, denen gegenüber Schmid bei einem angeblichen Bewerbungsgespräch im Sommer 2023 gesagt haben soll, dass die WKStA Druck auf ihn ausgeübt habe. Zu diesem Antrag möchten die Oberstaatsanwälte am Montag Stellung beziehen, erst danach wird entschieden.

Apropos Termine: Eben am kommenden Montag, dem 18. Dezember, wird Ex-Minister Löger als Zeuge einvernommen. Erst 2024 – konkret am 25. Jänner – soll der frühere Regierungskoordinator Gernot Blümel (ÖVP) einvernommen werden. Auch am 10. Jänner dürfte verhandelt werden, was da genau passieren wird, ließ der Richter allerdings noch offen – darüber werde am kommenden Montag entschieden werden. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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