Sportgerät

Eis-Laufen mit den »Genagelten«

Die Spikes beißen sich nur bei Bedarf in den Untergrund.
Die Spikes beißen sich nur bei Bedarf in den Untergrund.Tom Rottenberg
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Bei Eis und Glätte zu laufen gilt hierzulande als so gut wie unmöglich. Tatsächlich gibt s aber Labels, die sich genau auf diese Bedingungen spezialisiert haben - und Laufschuhe mit Winterspikes produzieren.

Dass ein Satz abgeschmackt und zigtausendfach strapaziert ist, macht ihn noch lange nicht falsch. Manchmal trifft ja sogar das Gegenteil zu: Binsenweisheiten nerven zwar, sind aber eben doch meistens Weis- und somit oft auch Wahrheiten. So wie, nur zum Beispiel, der Spruch vom schlechten Wetter, das es nicht gibt – solange man die richtige Ausrüstung hat.

Dass man den Satz auch widerlegen kann? Geschenkt: Bei Lawinenwarnstufe 4 oder gar 5 nutzt der modernste Airbag nichts – und wenn Stadt- und Landstraßen astreine Glatteisparcours sind, setzt sich auch der härteste Biker eher in die S-Bahn als aufs Motorrad.

Was ist schlimmer: Gefrorene Trittspuren oder Eisesglätte?

Wobei wir beim Lauf-Wetter der letzten Tage wären: So wirklich lustig war das Laufen auf und über kaum bis bestenfalls schlecht geräumte Wege und Pfade nicht. Nicht dort, wo der Boden spiegelglatt war, aber auch dort nicht, wo andere schon unterwegs waren: Darüber, ob Eislaufplatzglätte oder eingefrorene Geh- und Trittspuren unangenehmer und schlechter begehbar sind, könnte man (fruchtlose) Grundsatzdebatten führen. Unumstritten ist aber: Wo Gehen kaum geht, ist Laufen unmöglich. Fertig.

Aber: ist dem wirklich so? Klar: Nicht nur mit „normalen“ Straßenlaufschuhen, auch mit „grippigen“ Trailschuhen hatte Laufen in den letzten Tagen stets ein bisserl Russisches-Roulette-Charakter. Auch und sogar im sonst meist eher sicheren Schnee: Ob der eine solide Eisglatze geschickt verbarg, war da unmöglich zu sehen. Und „saubere“ Lauftechnik – also das Landen auf dem Vorfuß oder Ballen – ist dann, wenn überall der halbwegs sichere Pinguin- und also Watschelgang empfohlen wird, fast schon Garant für böse Stürze.

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Oder aber man strapaziert den Stehsatz von der „falschen Ausrüstung“ – und greift zur Richtigen. Denn die gibt es. Ja, sogar für das Laufen auf vereistem, spiegelglattem, super rutschigem Terrain - fürs „Eis-Laufen“ nämlich: Laufschuhe mit Spikes – und wir reden hier ausdrücklich nicht von leichten, engen, „minimalen“ Schlapfen, die Leichtathletinnen und -athleten auf der Bahn tragen. Sondern von richtigen, normalen Allerweltslaufschuhen, die eben „genagelt“ sind.

Die gibt es nämlich. Auch wenn sie in unseren Breiten ein absolutes Nischendasein führen. Aber anderswo – im Norden – wäre Laufen mit Schuhen ohne Spikes oft über Monate hinweg tatsächlich nicht möglich: Dort werden Schnee und Eis ja oft nicht wie in Wien mit Unmengen an Salz „weggepökelt“, sondern flach gewalzt. Rutschig – außer man hat den nötigen Grip.

Spezialisten aus dem hohen Norden

Kein Wunder also, dass es vor allem „nordische“ Marken sind, bei denen spikebewehrte Laufschuhe einen zentralen Bestandteil des Portfolios bilden. Salming - aus Schweden – etwa. Oder aber ein in Göteborg ansässiges Label, dessen Name schon besagt, in welche Richtung gedacht und produziert wird: „Icebug“ nämlich.

Das im Vergleich zu bekannten Herstellern immer noch winzige Label setzt in seinem Feld seit der Gründung 2001 Maßstäbe. Und das, obwohl sich Gründer David Ekelund und seine Mutter Eliza anfangs vor allem mit Spott und Hohn konfrontiert sahen, als sie das bis heute gültige Motto „Safe Grip - Free Mind“ in die gelebte (Lauf-)Schuh-Praxis übertrugen. Sie entwickelten ein – längst unter dem Namen „Bugrip“ patentiertes – dynamisches Spike-System, bei dem die „Nägel“ auf harten Untergrund „smart“ reagieren: in Eis oder gepressten Schnee „beißen“ sie zuverlässig, auf Asphalt aber drückt sich der kleine „Stud“ ins Profil der Sohle – und ploppt beim Abheben des Fußes dann wieder heraus.

Für steinharten Boden vorgesorgt

Klingt dramatischer als es in der Praxis dann aussieht, funktioniert aber tatsächlich sehr gut. Wer je mit genagelten Schuhen auf hartem Asphalt, Betont oder Marmor wegrutschte, weiß wie kontraproduktiv Spikes auf so einem Terrain sein können. Aber auch wenn die Ice-Studs aus Schweden da bei Bodenkontakt hörbar „klick“ machen: Die „reguläre“ Sohle macht den Schuh auch auf nass-rutschigem, aber eben hartem Boden griffig. In Skandinavien, wo man beim Wald- und Traillaufen oft genug über nasse Granitplatten rennt, ein echtes Asset.

Aber zurück zum Eis-Lauf: Dass Spikes (meist zwölf bis 14 über die ganze Sohle verteilt) das Laufen auf Glatteis nicht nur möglich, sondern auch lustvoll machen können, hat Icebug 2019 eindrucksvoll bewiesen: mit dem „Frozen Lake Marathon“, einem Marathon auf einem drei Viertel des Jahres zugefrorenen norwegischen Fjord, auf spiegelglattem, eigens von Triebschnee gesäubertem Eis. (Der Autor dieser Zeilen darf sich seither stolz „Österreichischer Eis-Lauf-Meister“ nennen – dass außer ihm kein Österreicher am Start war, muss man ja nicht unbedingt dazusagen …)

Fixpunkt im skandinavischen Laufkalender

Der Bewerb ist mittlerweile von hauptamtlichen Lauf-Veranstaltern übernommen worden – und fixer Bestandteil des skandinavischen Laufkalenders. Und natürlich sind dort (seit jeher) auch Spike-Schuhe anderer Hersteller zugelassen. Was man am Fjord beim Halb- und Ganzmarathon aber so gut wie nie sieht: die in unseren Breiten gängigen „Grödel“, also „Schneeketten“ für Lauf- und andere Schuhe. Nicht, weil die nicht auch funktionierten, sondern eher, weil diese ab- und aufziehbaren Tools für wirklich dauerhaftes Eis-Laufen oft nicht fest genug mit dem Schuh verbunden sind. Oder ihn mitunter aufscheuern: „Grödel“ sind ein gutes, brauchbares Werkzeug – aber eben eine andere Geschichte. Eine, die hier demnächst auch erzählt werden wird.

Eis-Lauf-Test auf dem Eislaufplatz am Wiener Heumarkt
Eis-Lauf-Test auf dem Eislaufplatz am Wiener HeumarktTom Rottenberg

Spikebewehrte Laufschuhe sind aber auch in Skandinavien kein „abendfüllendes“ Programm. Darum haben die Ekelunds längst auch andere Schuhe im Portfolio: feste, warme und solide Wander- und Winterstiefel mit Spikes etwa. Aber auch (und verstärkt) „normale“ Laufschuhe für Trail und Straße – mit und ohne wasserfester Gore-Folierung, aber ganz ohne „Nägel“. Was dem Label von manchem eingefleischten Fan prompt den Vorwurf eintrug, „Mainstream“ und „beliebig“ zu werden.

Freilich: angesichts der in Österreich mehr als eingeschränkten Verfügbarkeit der Schuhe (auch jener von Salming) klingt das hierzulande etwas seltsam. Denn Icebug-Schuhe gibt es in Wien (und ganz Österreich) offiziell lediglich in zwei Läden: Bei „Laufsport Blutsch“ in 1060 und bei „Traildogrunning“ in 1230 Wien – und auch da empfiehlt es sich, vorher anzurufen und verfügbare Größen abzufragen.

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