Gastkommentar

Vertrauensverlust in die Medizin

Die Lockdowns haben mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Aber auch der Sekundärschaden der Pandemie ist groß.

Die massiven Beschränkungen unserer Grundrechte durch die Maskenpflicht und die Lockdowns während der Coronazeit sind uns gut in Erinnerung. Waren viele der Maßnahmen zu Beginn der Pandemie noch argumentierbar, weil man zu wenig über Sars-CoV-2 wusste, so wurde dieses gern gebrauchte Argument des „Wir haben ja zu wenig gewusst“ im Laufe der Zeit schwächer. Heute ist es zu einer peinlichen Ausrede ge­worden.

Die Lockdowns haben mehr Schaden als Nutzen angerichtet, darüber gibt es mittlerweile reichlich wissenschaftliche Belege. Auch die über lange Zeit von der Politik und vielen Medien pauschal beworbene Impfung ist nun teilweise in die Kritik geraten. Es wird offener über deren potenzielle Nachteile diskutiert als während der Hochzeit der Impfkampagnen. Damals haben nur wenige Ärzte und Wissenschaftler ihre Zweifel öffentlich gemacht. Aus Furcht vor einigen behördlich in den Raum gestellten disziplinären oder rechtlichen Maßnahmen und durch den Gruppendruck wollten viele sonst kritische Mediziner keine eigene ärztliche Position einnehmen.

Damit sind wir bei einem nur schwer wiedergutzumachenden Sekundärschaden der Pandemie angelangt: nämlich beim allgemeinen Vertrauensverlust in die Medizin. Unzählige Bürger waren zunächst durch die Pandemie per se, durch die „Politik der Angst“ und die permanente mediale Horror-Berichterstattung zutiefst verunsichert und verängstigt. Viele hielten auch deshalb die Impfung für eine Art medizinisches Manna, das in Zeiten höchster Not vom Himmel fiel. Die mRNA kam als ungeheures Heilsversprechen daher. Viele Medizinerinnen und Mediziner dachten so wie ihre Patientinnen und Patienten und ließen sich von der politmedial zur Apokalypse hochgejazzten Pandemie genauso irritieren und verängstigen wie die Bürgerinnen und Bürger.

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Ein Arzt in Angst und Irritation ist allerdings das Übelste, was einem Hilfesuchenden passieren kann. Wenn dieser Arzt dann womöglich entweder Angst vor persönlichen Nachteilen hat oder aus Angst unkritisch diverse Maßnahmen mitträgt und das ärztliche Grundprinzip „Primum nil nocere“ („Das Wichtigste ist, nicht zu schaden“) zu wenig beachtet, ist das Malheur vollbracht.

Ärzte in Angst, Medizin in Not

So geschah letztlich Unglaubliches: Die Medizin ließ sich das Gesetz des Handelns (in einer im Kern rein medizinisch-ärztlichen Frage!) aus der Hand nehmen. Fortan waren Komplexitätsforscher, Juristinnen, Physiker, Laborwissenschaftlerinnen und andere, die noch nie eine Patientin, einen Patienten verantwortlich betreut hatten, in der Position, der Politik empfehlen zu dürfen, was denn die besten Maßnahmen in der Pandemie wären. Naturgemäß positionierte sich die Politik in der Folge so, dass sie die den meisten Einfluss in der Coronafrage lukrierte und umgekehrt diverse Expertinnen und Mediziner politisch beeinflusst wurden.

Das hat dazu geführt, dass viele Patientinnen und Patienten das Vertrauen in die Ärzteschaft verloren haben. Die Doktoren merken das jetzt oft ganz deutlich: In den Ordinationen wird so viel hinterfragt wie noch nie zuvor, Unsicherheit und Misstrauen sind oft spürbar.

Es muss nun das prioritäre Anliegen aller Ärztinnen und ­Ärzte sein, die eigenen Irrtümer und Fehler, die in der Pandemie gemacht wurden, einzubekennen und fallweise ein „Mea culpa“ auszusprechen. Es wäre sogar das Beste, dies proaktiv seitens der medizinischen Institutionen zu fordern und zu fördern. Denn erst wenn alles geklärt ist, kann man wieder neues Vertrauen auf­bauen.

Prim. Dr. Marcus Franz ist Facharzt für Innere Medizin und allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger.

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