Gastkommentar

Ungarns Veto wird auch Putin nützen

Peter Kufner
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Warum die EU nicht nach Viktor Orbáns Pfeife tanzen darf.

Bei ihrem Gipfeltreffen sollen ab Donnerstag die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine und die Fortsetzung der Finanz- und Rüstungshilfe für das von Russlands Armee überfallene Land beschließen.

Doch Ungarns Regierungschef, Viktor Orbán, droht mit einem Veto. Mehr noch: Er schickte Anfang dieser Woche eine Delegation zu republikanischen Politikern in den USA, um dort Stimmung gegen die Fortsetzung der Waffenlieferungen und Geldzahlungen an die Ukraine zu machen.

Der Erfinder der „illiberalen Demokratie“ knüpfte nicht nur enge Kontakte zu Wladimir Putin, sondern auch zu Chinas Staatschef, Xi Jinping, und dem türkischen Machthaber, Recep Tayyip Erdoğan – ohne jede Abstimmung mit EU-Partnern. Orbán wird beim Treffen in Brüssel mit der Vetokeule versuchen, die Auszahlung von rund 23 Milliarden Euro an EU-Förderungen für die nächsten fünf ­Jahre, die wegen Korruptionsvorwürfen und der Gängelung von Justiz und Medien eingefroren wurden, zu erzwingen.

Die EU-Kommission hat knapp vor dem Gipfel die Freigabe von zehn Milliarden Euro an Ungarn beschlossen, weil Budapest Vorgaben bei der Justizreform erfüllt habe. Ob dieses „Lösegeld“ – wie das Brüsseler Magazin „Politico“ schrieb – ausreichen wird, um Orbán von seinen Vetodrohungen abzubringen, blieb offen. 

Wie schon vor einigen Jahren überzieht er sein Land mit Plakaten, auf denen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen mit dem Sohn seines Lieblingsgegners, ­George Soros, geschmäht wird. „Wir werden nicht nach ihrer Pfeife tanzen“, kann man dort lesen.

Ein „Huxit“ ist keine Option

Die ständigen Attacken der Regierung gegen die EU zeigen bereits Folgen: Die Zahl der EU-Skeptiker ist in Ungarn gestiegen, laut einer Umfrage des US-Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center sind 39 Prozent der Ungarn der EU gegenüber negativ eingestellt, was um acht Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt liegt. Einen „Huxit“, also einen EU-Austritt Ungarns, sehen Experten aber nicht als Option. Denn Ungarns Wirtschaft ist zu eng mit der gesamten EU verflochten.

Mit dem Feindbild EU versucht Orbán auch, von eigenen Fehlern abzulenken. Ungarn erlebt gerade mit 25,8 Prozent die höchste Inflation aller EU-Länder. Die Lebensmittelpreise stiegen sogar um den doppelten Wert. Denn die von Orbán verfügte Deckelung von acht Grundnahrungsmitteln und die Sondersteuer für ausländische Supermärkte trieb – zusammen mit einer hohen Mehrwertsteuer – die Preise erst recht in die Höhe.

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Mit dem Ende der rechtsnationalen PiS-Regierung in Polen hat Orbán aber jetzt einen wichtigen Verbündeten in der EU verloren. Gemeinsam blockierten sie lang Strafmaßnahmen der EU wegen Verletzung der Grundwerte, bis die EU einen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus durchsetzen konnte. Die EU muss gegen Erpressungen durch ihre Populisten härter als bisher vorgehen. Denn sonst wird sie auch gegenüber den Beitrittskandidaten, von denen man Rechtsstaatlichkeit oder Medienfreiheit verlangt, unglaubwürdig. Spätestens ab 1. Juli 2024, wenn Ungarn den EU-Ratsvorsitz übernimmt, kann man eine gemeinsame EU-Außen- und Sicherheitspolitik vergessen. Dann wird wohl Putin als steinerner Gast mit am Tisch der 27 EU-Regierungschefs sitzen.

Otmar Lahodynsky (*1954) ist freier Journalist und Ehrenpräsident der Association of European Journalists (AEJ). 

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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