Das frühere Landleben ist notorisch unterbeforscht. Das gilt speziell für die Geschlechtergeschichte.
Romantisches Idyll und heile Welt – die Vorstellungen vom Leben auf dem Land wurden von bürgerlichen Städterinnen und Städtern auf Sommerfrische entscheidend mitgeprägt. „Dafür, dass 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung bis ins 19. Jahrhundert auf dem Land gelebt haben, waren die historischen Verhältnisse dort sehr lang in der Forschung unterrepräsentiert“, stellt die Wiener Historikerin Margareth Lanzinger fest. Einen Unterschied mache seit 20 Jahren das St. Pöltner Institut für Geschichte des ländlichen Raums.
Seine Schwerpunkte liegen auf der Agrar- und Ernährungsgeschichte sowie auf der Mobilitäts- und Migrationsgeschichte. Anlässlich der vor Kurzem stattgefundenen Jubiläumstagung wies Lanzinger mit der Historikerin Dietlind Hüchtker, beide Uni Wien, aber auch auf die Bedeutung der geschlechtergeschichtlichen Dimension hin, die spannende Einblicke in das (einstige) Landleben bietet.
Bevormundete Bäuerinnen
Hüchtker ist überhaupt erst über die Geschlechtergeschichte zur Agrargeschichte gekommen: „Bei meiner Arbeit zu politischen Bewegungen in Galizien landete ich immer wieder auf dem Dorf. Viele Forschungen, die sich mit politischen Aktivitäten von Frauen und Männern im 19., 20. Jahrhundert beschäftigen, sind sehr städtisch orientiert. Das Land wird als Ausnahme von der Norm behandelt.“ Das entspricht auch dem Blick des damaligen Bildungsbürgertums. Besonders deutlich wird das in Österreich bei der Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1918.