1995 bis 2023

US-Buchclub las 28 Jahre an einem Roman von James Joyce

James Joyce-Statue in Dublin.
James Joyce-Statue in Dublin. Standl/Picturdesk
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1995 fing ein kalifornischer Buchclub an, den komplexen Roman von James Joyce zu lesen. Vergangenen Herbst war man damit endlich fertig – und begann direkt wieder von vorne.

Die erste Zeile von „Finnegans Wake“ beginnt mitten im Satz. Es ist das erste Indiz, dass die vorliegende Lektüre schwierig sein mag – dieser Roman vom irischen Schriftsteller James Joyce aus dem Jahr 1939. Schon Kritiker verzweifelten am Werk, es gilt als eines der am schwersten verständlichen. Gar ist unter Literaturwissenschaftlern strittig, ob das Buch überhaupt eine Geschichte erzählt.

Es endet auf dieselbe Weise, wie es anfängt. Mitten im Satz. Ohne Punkt. Das Unvollkommene könnte die Schleife zum Anfang bilden. In Kalifornien begegnet man dieser Annahme mit Ernst. Und fängt von vorne zu lesen an: Drei Jahrzehnte hat der Buchclub für Runde eins von „Finnegans Wake“ gebraucht, aufgeschlagen hatte die Runde den Roman 1995 (auch dessen Gründungsjahr). Im Herbst diesen Jahres war man durch damit. Nun soll es in die zweite Runde gehen, für die ganzheitliche Erfahrung. Zur „New York Times“ sagte der Gründer der Gruppe, Gerry Fialka: „Es ist nicht abgeschlossen, es ist eine fortlaufende Erfahrung.

Unverständlich und unübersetzbar?

Ein bis zwei Seiten las der Club im Monat gemeinsam, arbeitete sich betulich an Joyces dichten Neologismen und Allusionen ab. In seiner Komplexität kann das Buch aber wohl nie vollständig begriffen werden, auch weil sich Joyce an einer ganz eigenen Sprache bedient. Er fügt Worte neu zusammen, trennt sie, baut sie um, mischt gar Sprachen untereinander. Ein Beispiel: „bababadalgharaghtakamminarronnkonnbronntonnerronntuonnthuuntrovarrhounawnskawntoohoohoordenenthurnuk“, ein Schachtelwort aus „Donner“ in zehn verschiedenen Sprachen. Das Werk galt auch deshalb zunächst als unübersetzbar, seit 1993 ist es aber auch auf Deutsch zu lesen (übersetzt von Dieter H. Stündel), zwölf Komplettübersetzungen liegen insgesamt vor.

Der Titel, „Finnegans Wake“, rührt übrigens von der gleichnamigen irischen Ballade über einen Baumeister namens Tim Finnegan her, der betrunken von einer Leiter fiel und dabei starb, aber beim feuchtfröhlichen Leichenbegängnis (englisch „wake“), bei dem eine Flasche Whisky auf dem Sarg zerbrach, wieder zum Leben fand. Sein Aufstieg, der Fall und die Wiederauferstehung werden als Metapher des menschlichen Lebens gelesen. Wohl aber nur in reichlich Gesellschaft. Alleine wird sich damit kaum jemand abmühen, jedenfalls keine drei Jahrzehnte lang. (evdin)

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