<strong>Wabenförmige Glassteine </strong>erinnern an Bienenstöcke: der Kassasaal, einstiges Herzstück der Postsparkasse in Budapest.
Architektur

Die Postsparkasse in Budapest: Der Gaudí des Ostens

Österreich hatte Otto Wagner, Spanien Gaudí und Ungarn Ödön Lechner. Der Kassasaal seiner Postsparkasse in Budapest wurde lange als Möbellager genutzt, bis man ihn rekonstruierte: Die Bankschalter wurden neu angefertigt, die Holzbänke durch moderne Sitzmöbel ersetzt. Nun ist der Saal ein Kundencenter.

Das Jahr 1896 war bedeutsam für Budapest: Das 100-Jahr-Jubiläum der Landnahme der ungarischen Stämme wurde gefeiert und im Liget, dem Stadtwäldchen, eine große Landesausstellung verwirklicht, mit einem eklektischen Schlösschen als Zentrum. 1873 waren Buda und Pest vereinigt worden, wie in Wien formte eine „Gründerzeit“ die Großstadt neu. In diesem Taumel wurde das „europäische Entwicklungsland“ zu einem Land manch falscher Träume, aber auch echter Möglichkeiten, die ungelösten Probleme der Ethnien schwelten unter der Oberfläche, überlagert vom Bauboom.

Nicht nur im Liget entstanden historisierende Ausstellungsbauten, ein Gebäude war aber ganz anders: das neue Museum für Kunstgewerbe, entworfen von Ödön Lechner, dem „Gaudí Osteuropas“. Seine farbenfrohen, organischen und gesamtheitlichen Entwürfe waren so irrational aufwendig wie die des Kollegen, doch arbeiteten sie unabhängig voneinander; auch charakterlich unterschieden sie sich. Anders als der tief religiöse Gaudí, der sein letztes Lebensjahrzehnt fast nur der Sagrada Familia widmete und sich sogar dem Zölibat verschrieb, war Lechner ein Lebemann und liebte es noch als alter Herr, mit den Straßenmädchen zu scherzen. Zufällig verstarben beide an einem 10. Juni, an dem heute der „Weltjugendstiltag“ gefeiert wird.

„Aber die Vögel werden es sehen!“

Lechner hatte in Paris den neuen Stil des Art Nouveau kennengelernt und sah in ihm die Möglichkeit, einen eigenständigen ungarischen Baustil zu schaffen. Ab 1893 entstanden seine Budapester Hauptwerke: das Kunstgewerbemuseum, die Ladislauskirche, das Geologische Institut und die Postsparkasse. Dann geriet er wegen der teuren Dekorationen immer stärker unter Druck; gefragt, ob man zumindest die von der Straße nicht sichtbaren Teile der Dächer unbedingt mit der teuersten Keramik eindecken müsse, antwortete er: „Aber die Vögel werden es sehen!“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.