Gastkommentar

Begehrlicher Griff nach der Substanz

Ständig wird in der politischen Diskussion eine Vermögensteuer gefordert: Sieben Thesen gegen eine solche Steuer.

Die regelmäßig wiederkehrende Diskussion über die Besteuerung von Vermögen lässt eine Auseinandersetzung mit den damit verbundenen Grundsatzfragen vermissen.

Schon der Begriff „Vermögen“ ist – These 1 – ideologisch konnotiert. Gemeint ist die Besteuerung von Eigentum, also der Substanz. Diese muss zunächst geschaffen worden sein. Entsteht sie durch Leistung, so wurde diese bereits besteuert. Erst das, was nach dem Verbrauch für den Lebensaufwand übrig bleibt, wird zur angesparten Substanz. Eine Besteuerung der Substanz vernichtet das Interesse, sie zu schaffen.

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Ertrag von der Substanz – also Zinsen – ergibt Einkünfte, die, nach deren Besteuerung, für die von der Substanz zu entrichtende Steuer verwendet werden können. Werden aber keine Erträge erzielt, sind zur Bezahlung der Steuern Mittel aus anderen Quellen heranzuziehen. Also These 2: Auch besteuertes Einkommen muss zur Bezahlung der Substanzsteuer verwendet werden.

Wirft die Substanz keine Erträge ab und stehen keine anderen Quellen zur Verfügung, so ist die Steuer aus der Substanz zu bestreiten; es muss also die Substanz schrittweise verwertet werden. Sparen wird bestraft. Die Substanz wird vernichtet. Daher These 3: Die Substanzsteuer führt zur Vernichtung von Privateigentum, zur Enteignung.

Was zählt zur Substanz?

Werden Freibeträge festgelegt, sodass nur übersteigende Substanz Bemessungsgrundlage für die Steuer ist, wird der Verwaltungsaufwand für die „kleinen“ Substanzen überproportional hoch: Nur mit genauer Bewertung kann das Unter- oder Überschreiten der Schwellenwerte festgestellt werden. These 4 lautet somit, dass kleinere Substanzen bei der Steuererhebung durch kostenintensiven Berechnungsaufwand benachteiligt sind.

Somit die Kernfrage: Wie ermittle ich die Grundlage für die Bemessung der Steuer? Was zählt zur steuerpflichtigen Substanz? Liegenschaften sind im Grundbuch, Unternehmensanteile im Firmenbuch erfasst, das Bar- und Wertpapiervermögen von der Bank. Was bleibt, sind Wohnungseinrichtung, Fahrzeuge, Edelsteine, Schmuck, Kunst. Alles ertraglos. Eine Zweitwohnung? Das Zweitauto? Wer soll das erfassen, wie soll es bewertet werden? Diese Unschärfen führen – so These 5 – zur Umschichtung in Substanzwerte, die aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verschwinden und für die Steuer nicht greifbar sind.

Ein Etikettenschwindel

Betrachtet sei auch – These 6 – der Aspekt der Wohnversorgung: Die Eigentumswohnung ist Substanz und wird besteuert, auch wenn der Eigentümer sie selbst benutzt. Ist nicht auch ein geschütztes und preisgeregeltes Mietrecht ein bewertbarer Substanzwert, dessen Vorteile der Steuerbemessungsgrundlage hinzuzurechnen sind?

Unser Gesamtsteuergefüge kennt die Immobilienertragsteuer und erfasst mit ihr Wertzuwächse. Die Banken führen automatisch als Kapitalertragsteuer auch die Steuer auf Veräußerungsgewinne ab. Wertzuwächse sind Teil der Substanz und nicht Ertrag. Nur der Vollständigkeit halber: Die Substanz der Stiftungen wird bei der Verteilung mit Kapitalertragsteuer belegt. These 7 beweist, dass mit der unrichtigen Bezeichnung einer Steuer Etikettenschwindel betrieben wird und unser Steuersystem bereits jetzt Substanz massiv besteuert.

Wo also bleibt noch Raum für eine weitere Substanzbesteuerung? Viel wichtiger aber: Wo bleibt dann die nötige Substanz für Investitionen, um Unternehmen auszubauen, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten und auch „nur“, um für sich selbst durch Sparen vorzusorgen?

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Maximilian Eiselsberg hat sich als Rechtsanwalt besonders mit Stiftungs- und Steuerfragen befasst.

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