Am Tag des Eingriffs versuchte ich mir immer wieder einzureden, dass ein Zahnarztbesuch schlimmer sei.
Kinderlos

Wir wollen keine Kinder

Ich fuhr mit dem Taxi nach Hause, meine Freundin umarmte mich, ich legte mich auf den Balkon und mein Hund sich neben mich. Einige Tage später ließ ich die eingefrorenen Spermien zerstören. Nach knapp einer Woche spürte ­ich kaum noch etwas von der Vasektomie.

Am Wochenende vor meiner Vasektomie war ich auf einer Familienfeier bei meinen Eltern. Kinder rannten herum, meine Cousinen und Cousins waren da, zudem Cousinen meiner Mutter, über zwanzig Personen, und das war nur ein Teil meiner Verwandtschaft. Mit den meisten dieser Menschen habe ich kaum Kontakt, teilweise habe ich sie seit über zehn Jahren nicht gesehen. Meine Cousinen und Cousins hingegen sehe ich regelmäßig. Die meisten von ihnen haben Kinder, ein Zwillingspärchen ist vor Kurzem geboren worden.

Menschen in meiner Familie bekommen Kinder – das ist die Regel, von der es ein paar Ausnahmen gibt. Eine davon bin ich. Ich werde mit einer Wahrscheinlichkeit von 2000 zu 1 kein Kind zeugen. Das habe ich so entschieden. Vielleicht war ich auch vor der Vasektomie nur bedingt zeugungsfähig gewesen, da ich vor fünf Jahren in Chemotherapie gewesen war. Ich habe es nie testen lassen. Aber ich wollte jetzt sichergehen.

„Mal sehen, wie das Leben läuft“

So sicher war ich früher nie. Was die Frage nach Kindern angeht, folgte ich als heterosexueller cis Mann dem Prinzip „Mal sehen, wie das Leben läuft“. Wenn ich einmal eine Beziehung hätte, in der es sich für beide richtig anfühlt, ein Kind zu bekommen – warum nicht? Wenn das nie passieren würde – auch in Ordnung. Als cis Mann war ich in der privilegierten Situation, dass mich in meiner Erinnerung nie jemand mit suggestivem Ton gefragt hatte, ob ich einmal Kinder haben möchte. Kinder zu bekommen bedeutet für gebärfähige Personen eine körperliche Veränderung und ein Risiko. Sie werden auch häufiger gefragt, ob sie Kinder haben wollen oder nicht, bei cis Männern nimmt man meist an, dass sie im Zweifelsfall mitmachen würden. Auch wusste ich, dass ich theoretisch noch eine ganze Weile Kinder zeugen könnte. Erst als ich vor sechs Jahren die Krebsdiagnose bekam und eine Chemo­therapie nötig war, wurde die Frage nach möglichen Kindern konkret. Ich entschied mich, Spermien einfrieren zu lassen, weil ich mich in dieser Situation nicht zusätzlich mit der Frage auseinandersetzen wollte, ob ich eine mögliche Zeugungsunfähigkeit in Kauf nehmen würde.

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