Gastkommentar

Das Hochschulrechtspaket 2024: Mehr Schein als Sein

Mit dem Hochschulrechtspaket wurde nun auch die letzte Chance verpasst, die Universitäten aus der Sackgasse zu holen.

Groß war die Hoffnung vor fünf Jahren auf das „Beste aus beiden Welten“ auch für die Universitäten – eine bürgerlich-liberale Mehrheit schien durchaus geeignet, die Hochschulen aus der Sackgasse zu manövrieren, in welche das UG 2002 sie geführt hat. Mit dem Hochschulrechtspaket 2024 (Begutachtungsfrist 21. Februar) wurde nun auch die letzte Chance verpasst, diesen Erwartungen gerecht zu werden.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Die aktuelle, vom Wissenschaftsministerium lang angekündigte Reform kratzt nicht einmal an der Oberfläche der vielen Probleme im österreichischen Hochschulrecht. Zwar gibt sich die Aufmachung hypermodern mit vielen Neologismen wie „BEng“ und „MEng“ und „Microcredentials“ – das Wissenschaftsministerium dürfte diesbezüglich das kreativste sein. Die zentrale Frage muss aber der Substanz gelten, und diesbezüglich summieren sich halbfertige Ankündigungen, Widersprüche und Unterlassungen: So dürfen sich die Fachhochschulen (FH) nunmehr als „Hochschulen für Angewandte Wissenschaften“ bezeichnen, doch die wiederholt und mit Nachdruck vorgebrachte Forderung nach einem Promotionsrecht bleibt unerfüllt. Die „angewandte Wissenschaft“ ist somit nach wie vor gegenüber der „reinen Wissenschaft“ ex ante und ohne Ausnahme inferior.

Standort Österreich verliert

Dabei hatten die von Fachhochschulen vorgetragenen Argumente für die Gewährung eines Promotionsrechts in hochspezialisierten technischen Bereichen durchaus einige Überzeugungskraft. Fachhochschulvertreter berichten von begabten Jungforschern, die an österreichischen Fachhochschulen in hochkompetitiven Industriesektoren dissertieren möchten und nun ins Ausland abgedrängt werden. Wieder einmal verliert der Standort Österreich durch kindliche Eitelkeiten und Eifersüchteleien.

Die radikale Ablehnung dieses Anliegens übersieht, was in den führenden Wissenschaftsnationen schon längst Gemeingut ist: Entscheidend ist die Qualitätssicherung, nicht die rechtliche Struktur, in der Wissenschaft betrieben wird. Und gerade bei der Qualitätssicherung sind die größten Defizite in der jetzigen Struktur des österreichischen Universitätsrechts und im aktuellen Reformvorhaben zu finden: Nach wie vor gibt es keine allgemeine unabhängige Qualitätssicherungsinstitution auch für die staatlichen Universitäten, wie sie eigentlich vom EU-Recht vorgesehen wäre. Eine objektive, sachliche Evaluierung ist ein öffentliches, ja ein EU-weites Anliegen, das nicht ausschließlich in die Universitätsautonomie fallen kann. Was tun, wenn bspw. an einzelnen österreichischen Universitäten trotz manifester Verstöße gegen die GWP hochwertige Titel mit EU-weiter Geltung verliehen und auch nach Aufdeckung des Missstandes nicht aberkannt werden und/oder die Betreuer nicht sanktioniert werden?

Sieger standen vorab fest

An jedem Grundsatz der Bestenauswahl vorbei wurden Verfahren initiiert, bei welchen „Sieger“ und „Siegerinnen“ schon vorab feststanden. Was tun mit den nachfolgenden fachlichen Problemen, bspw. mit z. T. horrenden Qualitätsmängeln in Arbeiten, die von derart Berufenen betreut wurden?

Zwar werden der „Akkreditierungs- und Qualitätssicherungsagentur“ (AQ) strukturelle Aufgaben zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) zugewiesen, doch die konkrete Verantwortung für die Sicherstellung der GWP liegt weiter bei den Universitäten ohne spezifische Vorgaben auch hinsichtlich der Konsequenzen eines Verstoßes gegen die GWP. Die AQ wird keineswegs zu einer generellen Evaluierungs- bzw. Qualitätssicherungsinstitution aufgewertet, die EU-rechtlich vorgeschrieben wäre, aber in Österreich fehlt. Dazu müsste aber auch die AQ selbst reformiert werden, da diese gegenwärtig von einer starken Politik- und Universitätspräsenz geprägt ist. Weshalb diese Angst in Österreich vor unabhängiger Kontrolle ohne Einfluss der Politik? Wie in anderen EU-Staaten könnte hier eine Anreizpolitik betrieben werden: Besondere Leistungen im Bereich der GWP werden belohnt!

Kein Wort findet sich im Hochschulrechtspaket 2024 zu den dringend nötigen Anpassungen des österreichischen Universitätsrechts an weitere EU-Vorgaben, insbesondere was den Zugang von Bewerbern zu einem unabhängigen Gericht im Falle von Rechtsverstößen, Schiebungen, Postenschacher und Ad-personam-Ausschreibungen anbelangt. Auch diesbezüglich könnte eine unabhängige Qualitätssicherungsinstanz zumindest in besonders dramatischen (Wiederholungs)fällen intervenieren.

Kein „finale furioso“

Nach wie vor völlig unverstanden ist in Österreich das ministerielle Aufsichtsrecht nach § 45 UG: Es ist ein rechtsstaatliches Muss, dass eine Aufsichtsbehörde bei Rechtsverletzungen interveniert, statt die Beschwerdeführer mit einem unverständlichen Zweizeiler ratlos zurückzulassen. Dieses Problem wäre rasch behoben, wenn den Beschwerdeführern Parteistellung eingeräumt würde. Gerade wenn der Beschwerdegrund EU-Recht tangiert, wäre dies eigentlich zwingend.

Es fehlt auch jeglicher Ansatz für eine Redemokratisierung des österreichischen Universitätssystems, bspw. in Hinblick auf eine effektive Einbeziehung aller Universitätsangehörigen bei der Rektorswahl.

Ein „finale furioso“ der Wissenschaftspolitik der auslaufenden Regierung ist das vorliegende Paket somit nicht. Sollten vielleicht die Kräfte für einen wirklichen Neubeginn nach den Wahlen, für eine Reform, die diesen Namen verdient, gespart werden?

Dr. Peter Hilpold (* 1965) studierte Rechtswissenschaften, VWL und BWL. Seit 2001 ist er Professor für Völker-, Europa- und Vergleichendes Öffentliches Recht an der Universität Innsbruck und lehrte auch an anderen Universitäten. Er ist Autor von über 300 wissenschaftlichen Publikationen.

Reaktionen an: debatte@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.