Gastkommentar

Die Mitte braucht eine Vision

Der Wahlkampf hat begonnen. Für breit getragene Lösungen hilft es aber nicht, wenn Parteien über uns sprechen. Wir müssen miteinander sprechen.

Kanzler Karl Nehammer hat am Freitag seinen „Österreich-Plan“ präsentiert und damit vor allem eines klargemacht: Der Wahlkampf hat begonnen. Bei der ÖVP dürfte es um weniger Steuern, gekürzte Sozialleistungen und das Binnen-I gehen. Das mag manche Menschen ansprechen, ist aber noch lang kein Angebot für eine bessere Zukunft. Das liegt am Entstehungsprozess all dieser Pläne: Parteinahe Funktionärinnen diskutieren mit parteinahen Experten parteinahe Themen. Ähnliches ist von anderen Parteien zu erwarten. Doch für breit getragene Lösungen hilft es nicht, wenn Parteien ÜBER uns sprechen. Wir müssen MITeinander sprechen.

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Beispiele wie der durch das Klimavolksbegehren initiierte Klimarat zeigen, dass repräsentativ ausgewählte Menschen gegensätzliche Maßnahmen zu einem runden Plan formen können. In unserer Zeit großer Krisen (Energie, Wirtschaft, Inflation) muss Österreich weg vom Wahlkampf-Hickhack. Wir brauchen eine große Vision, die Kraft gibt und neue Hoffnung schenkt.

Folgt man den Lippenbekenntnissen der Parteien, so dreht sich der Wahlkampf um die Mitte. Das sind zumeist Familien, die das Beste für sich und ihre Lieben wollen. Sie sorgen sich um Jobsicherheit, Gesundheit, offene Rechnungen, die Erziehung ihrer Kinder und die Altersvorsorge. Sie sorgen sich auch um die Klimakrise, die ihre Zukunft bedroht. Doch die großen Krisen haben in dieser nie enden wollenden Aufgabenliste kaum Platz.

Falsche Sprache

Auch die Klimabewegung wählt oft die falsche Sprache: Die Wissenschaft kann jeden Fakt belegen, die Moralkeule wurde schon zu oft geschwungen und radikale Klebeaktionen verstören. Und, hat’s geholfen? Bestenfalls mäßig. All das erreicht nämlich nicht die Menschen, die wir für die Gestaltung von morgen brauchen. Diese vielbeschäftigten Menschen zahlen Steuern und wählen – und könnten von einer positiven Veränderung profitieren.

Daher hinaus aus den einzelnen Blasen und hinein in die Diskussionen! Denn unsere Diskussionen von heute sind die Rahmenbedingungen für morgen. Gehen wir es an!

Aber ist das realistisch?

Stellen Sie sich vor: Statt in Einkaufshäusern am Stadtrand kaufen wir im Ortskern, denn der lädt zum Verweilen ein. Der Ort ist für Jung und Alt fußläufig erreichbar, ein Treffpunkt zum Plaudern. Kinder können auf dem Ortsplatz spielen, da hier keine Autos ein- und ausfahren, während ihre Eltern sie entspannt vom Schanigarten aus beobachten. Der Alltag ist generell stressfreier, denn Staus zur Arbeit sind Geschichte. Das erledigen öffentlich organisierte Sammeltaxis und Busse – auch auf dem Land. Außerdem: Das Gas aus Russland ist uns egal. Auch die Energierechnung. Warum? Weil der Strom frisch von der Fotovoltaikanlage auf dem Dach kommt und der Ort sich dank Windkraft selbst versorgt.

Aber ist das realistisch? Einfach das Auto stehen lassen? Die Heizung in Miete austauschen? Das geht derzeit oft nicht. Doch wir könnten es lösen. Zurzeit fließen Milliarden in einen fossilen Alltag, der die Menschen vieler Vorteile und ihrer Zukunft beraubt. Es ist komplett unrealistisch, das in Zukunft aufrechtzuerhalten.

Im Februar erweckt das ­Klimavolksbegehren gemeinsam mit vielen Partnern positive Visionen zum Leben und startet einen breit angelegten Dialog. Aus der Mitte für die Mitte. Nehmen wir in die Hand, was keine Wahl kann, Schritt für Schritt. Die Zukunft gehört uns.

Christian Kdolsky (*1977) studierte Kommunikation und Management in Krems sowie Multimedia Art in Salzburg. Nach Stationen bei Werbeagenturen und in NGOs übernahm er 2022 die Sprecherrolle des Klimavolksbegehrens.
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