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Trainieren mit Thermometer: It’s getting hot in here

Man muss sie nicht kennen, aber es hilft: die Körpertemperatur während des Sports
Man muss sie nicht kennen, aber es hilft: die Körpertemperatur während des SportsTom Rottenberg
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So wie Echtzeit-Pulsmessung beim Sport lange utopisch und dann nur für die Elite erschwinglich war, ist es auch mit anderen Mess-Parametern: Mit dem „Core“-Sensor ist nun ein Echtzeit-Körpertemperatur-Sensor auf dem Markt.

300 Euro sind keine Kleinigkeit. Schon gar nicht, wenn das, was das 300-Euro-Ding anzeigt, ohnehin dem entspricht, was das subjektive Körpergefühl sagt: Wenn beim Laufband-Laufen oder Indoor-Radeln bei stehender Fitnesscenter-Luft und „angenehmen“ Zimmertemperaturen aus den innersten und tiefsten Zonen des Körpers die Hitze zu wallen beginnt, wenn weder Flüssigkeitszufuhr noch Schwitzen mehr für spürbare Erleichterung sorgen, wenn die Sehnsucht nach Wind, sich dematerialisierenden Außenmauern oder Dächern oder einem Kübel Eiswasser von vorne (oder oben) alles ist, woran man noch zu denken im Stande ist, dann . . . Genau: Dann ist der Körper an der Schwelle. Vermutlich fällt man jetzt gleich um. Knapp davor fährt die Leistung in den Keller. Als letztes, allerletztes Warnsignal.

Weil man aber – hoffentlich – nicht blöd ist, erkennt man beim Sport die Signale des Körpers schon viel früher. Reagiert dementsprechend und rechtzeitig: Tempo raus, Druck reduzieren. Trinken, trinken, trinken. Fenster auf, Ventilator an, Coolpacks in den Nacken. Und so weiter: Eine Frage des Hausverstandes. Genauso wie im Freien: Muss man dafür tatsächlich aufs Zehntelgrad genau wissen, wieviel Grad der Körper gerade hat? Erst recht, wenn dieses Wissen 300 Euro kostet?

Mittel zur Optimierung des Trainings

Man muss nicht – aber man kann. Und es gibt gar nicht so wenige Leute, die das mittlerweile tun. Weil dieses Wissen nämlich hilft, das eigene Training noch ein bisserl mehr zu optimieren. Und obwohl das bei dem, was Otto und Anna Durchschnitt im Hobbysport auf die Matte (oder die Straße oder den Trail oder sonst wohin) bringen, im globalen Vergleich vollkommen egal ist, ist es individuell dann vielleicht doch nicht so uninteressant: Wie lange kann man mit welcher Intensität radfahren, laufen, schwimmen, langlaufen, turnen oder tanzen – bevor die Körpertemperatur ein Level erreicht, bei dem es zuerst „zaaach“ und dann unmöglich wird, auf dem gleichen Niveau oder überhaupt weiterzumachen? Und: Wie muss ich trainieren, trinken und kühlen, um diese Grenzen zu verschieben? Geht das überhaupt?

Körpertemperatur ist ähnlich wie Puls: Da gibt es ja auch Komfort-, Vollgas-, Nachbrenner- und „Ist ein Notarzt anwesend?“-Zonen. Und auch im Hobbysport hat sich das pulsgesteuerte Training längst durchgesetzt: War es in den 1980ern noch Science Fiction und dann nur für Profis leistbar, mit Pulsmessern Sport zu machen, die den Herzschlag in Echtzeit messen und anzeigen konnten, kann das heute schon die billigste Smart- und Sportuhr.

Größenvergleich
GrößenvergleichTom Rottenberg

Körpertemperatur-Training könnte doch ähnlich funktionieren. Oder?

Womit wir – endlich – beim „Core“-Sensor angekommen waren. Also jenem dominostein-großen Plastikchip, den das aus Zürich stammende Startup „greentec“ vor rund vier Jahren entwickelte. Dann wurde – unter anderem mit Profi-Radteams – intensiv getestet und gefeilt. Und nun will man mit dem – nach Herstellerangaben – weltweit einzigen „nichtinvasiven“ Echtzeit-Körpertemperaturmessgerät im Sport den Markt der ambitionierten Hobbyathletinnen und -athleten aufrollen.

Fieberthermometer für Gesunde

Grob vereinfacht gesagt ist der Core-Clip ein Fieberthermometer für Gesunde. Er misst die Körpertemperatur so lange, wie man ihn am Körper hat: Statt eines punktuellen Werts zeichnet die Core-App also Kurven. Widgets, die es mittlerweile für Garmin- und Wahoo-Sporttracker gibt, zeigen auf Uhr und Radcomputer die momentane Temperatur ab. Ebenfalls in Echtzeit gemessen und in der App (und dann der Core-Cloud) gespeichert wird die Hauttemperatur. Idealerweise verknüpft man die Core-App auch mit einem beim Sport-Tracken ja meist ohnehin eingesetzten Pulssensor.

Wozu das gut ist? Ganz einfach: Wer den eigenen – bei intensiver Aktivität vollkommen normalen – Körpertemperaturanstieg misst, analysiert und im Auge hat, weiß in jeder Situation, ob und welche Veränderung der Intensität angebracht wäre, um gesteckte Ziele auch zu erreichen. Hausverstand und Selbstbeobachtung sind gut, in genormten Testabläufen ermittelte individuelle Daten und Grenzwerte aber besser.

Auch, weil sich diese Werte – zum anderen – durch gezieltes Training dann bewusst verschieben lassen. Beim Training, aber vor allem im Wettbewerb profitieren davon auch Hobbyathleten und -athletinnen.

Eine Frage des Hausverstands

Aber ist derlei in unseren Breiten bei „normalen“ Belastungen nicht absolut übertrieben? Jein: Leistungseinbrüche bei längeren Sommerläufen kennt fast jeder. Obwohl Hitzemanagment Teil des Hausverstands ist: kühlen, trinken, langsamer werden, Schattensuchen … Doch dem Hausverstand schlägt eben die Euphorie unterwegs gern ein Schnippchen. Zahlen holen ihn auf den Boden zurück.

Aber da ist noch etwas, speziell am Rad: Kühlender Fahrtwind ist ein Segen, kann aber auch täuschen. Etwa nach harten Bergauf-Passagen. Bergan, weiß und spürt man, wie man kocht – bergab kühlt der Fahrtwind. Gut so. Nur: Auch wenn die Hauttemperatur sinkt, kann die Körpertemperatur noch in lichten Höhen sein. Und beim übernächsten Anstieg ist es dann – überraschend – vorbei. Wohl auch deshalb sah man in der letzten Saison bei den großen Rundfahrten den kleinen weißen Chip bei etlichen Profis unter den Pulsgurten hervorblitzen.

Denn den Core-Chip trägt man genau so: an einen Brustgurt (oder Sport-BH) geklippt. Auch im Wasser. Ebenfalls ok: Der Chip wird an dem am Oberarm getragenen optischen Puls-Messband befestigt.

Klebe-Patch am Körper

Die Körpertemperatur nicht nur beim Sport, sondern ganztägig zu „tracken“, geht auch: Per Klebe-Patch am Oberkörper. Womit wir bei einer gängigen, wenn auch nicht zertifizierten Anwendung des Core wären: Dem Aufzeichnen von Fieberkurven. Etwa bei kranken Kindern haben Eltern da Temperaturveränderungen immer sofort im Blick. Aber Obacht: Der Hersteller greentec ist mit anderen Produkten im medizinischen Messbereich zwar längst etabliert, betont aber eindringlich, dass der Core-Sensor KEIN für den medizinischen Gebrauch zertifiziertes Fieberthermometer ist.

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Auch wenn das alles spannend klingt, gibt es ein paar „Abers“: So lassen sich zwar momentane Temperaturen auf Uhr und Bikecomputer, nicht aber die exakten und gesamten Kurven eines Workouts danach in die gängigen Trainingsanalyse-Apps einpflegen. Kurven und Details gibt es nur auf der Core-App. Aus Herstellersicht verständlich. Für User ein Komfortverlust: Immer mehr Amateure leisten sich ja (semi)-professionelle Analyse-Tools wie „TrainingPeaks“, um die längst unüberschaubare Vielzahl vermeintlich relevanter Gesundheits- und Trainingsdaten an einem zentralen Ort auszuwerten und zu verwalten.

Welche Daten denn noch?!

Gleichzeitig steht die Frage im Raum, ob Amateure mit der Unmenge an Daten moderner Sport-Tracker (hier nur ein paar: Body Battery, Sleep Score, Schrittfrequenz, Bodenkontaktzeit, Laufleistung, Atemfrequenz, Intensitätsminuten, Stressfaktor, Trainingsbereitschaft, Cycling Dynamics, Normalized Power, FTP…) nicht ohnehin längst überfordert sind: Schon die Frage nach den individuellen Pulsbereichen ist für Viele im Alltag zu komplex.

Wobei es wohl noch ein bisserl dauern wird, bis sich die Temperaturfrage tatsächlich im breiten Freizeitsport stellt: Dafür sind Messgeräte wie der „Core“ noch nicht verbreitet genug. Derzeit ist man gerade einmal bei der Elite und im hochambitionierten Amateur-Feld präsent. Also bei „Early Adoptern“, die bereit sind, viel Geld auf den Tisch zu legen. Für den Mainstream, also den tatsächlich relevanten Markt, sind die 300 Euro für den Sensor aber wohl zu teuer.

Doch das wird sich ändern. Spätestens dann, wenn andere Hersteller ähnliche Geräte auf den Markt bringen oder in Uhren implementieren.

Und das ist nur eine Frage der Zeit.

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