Gastkommentar

Warum sind wir so unzufrieden?

Peter Kufner
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Wir, die Bürger Österreichs und der EU, leiden schon des Längeren an Morbus Unzufriedenheit und Misstrauen.

Warum sind wir als Gesellschaft in unserem Gefühl und den dadurch ausgelösten Entscheidungen und Handlungen so anders geworden, als wir das noch vor einer Generation waren? Was ist der Grund unserer Zweifel und Vertrauensverluste? Sind es nur ökonomische Bedingungen? Sind es die Kriege, die uns so verunsichern. Die (überstandene) Pandemie? Ist es der Klimawandel? Oder liegen dem kollektiven Unbehagen auch andere auslösende Ereignisse zugrunde?

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Die Welt rumort. Es rumort auch in Österreich. Die externen Faktoren sind bekannt. Aber es geht hier um das Interne. Die nächsten Wahlen stehen vor der Tür. Aber anstatt die Probleme und Lösungen zu adressieren, die uns jenseits aller Parteilinien betreffen, wird kräftig in einen Wettbewerb der Unzufriedenheit investiert. Man möge unzufrieden sein mit den jeweils „anderen“. Unerbittliche Rechthaberei und Ignoranz sind zur inflationären Währung der politischen Kommunikation geworden. Führungssignale verschwinden hinter einem nie vorher erlebten Taifun von öffentlich-privaten Meinungen und Statements, Einstellungen und Gegenpositionen. Dies sorgt für die Erosion der Zustimmung und des grundsätzlichen Einverständnisses mit den politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen in der politischen Mitte. Man vertraut nicht mehr. Weder dem einen noch dem anderen. Und sucht sich eine neue Position.

Damit bin ich bei meinem Erklärungsversuch zum gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft. Der österreichischen Gesellschaft. Wir Menschen – übrigens aller Kulturen – haben das Bedürfnis nach Sicherheit, nach Zugehörigkeit, nach Freiheit – und nach Orientierung. Wenn man weiß, was gespielt wird, ist man sozusagen gesicherter Spielteilnehmer.

Bedürfnis nach Sicherheit

Wir wollen eingeweiht sein – aufgenommen sein in eine Gemeinschaft, nicht ausgeschlossen! Das grundsätzliche Dazugehören ist ein fundamentaler Akt, auf dem die weiteren begründet sind. Wir wollen vertraut gemacht werden und vertraut sein mit den Ritualen, den Bedingungen, den geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen, den kulturellen Anforderungen! Modern gesagt mit den Dos and Don’ts.  Das heißt, wir müssen die allgemein geltenden Spielregeln kennen, um letztlich die letzte Stufe dessen zu erreichen, was uns ein angenehmes Gefühl in einer Gesellschaft vermittelt: heimisch sein! Und wenn wir heimisch sind in den Ritualen, in den Abläufen und Vorgängen, dann fühlen wir uns auch „daheim“.  

Vertrauter Klang

Die Kenntnis der Spielregeln, der Zustand, sich nicht erklären zu müssen, voraussetzen zu können, dass man im Prinzip das gleiche Ziel – wenn auch auf unterschiedlichen Wegen – erreichen will und dass man sozusagen die gleiche Sprache spricht, ist der Mörtel des Zusammenhalts. Wenn man in die Medien und in die Bevölkerung hineinhörte, kam einem der vertraute Klang entgegen – der Soziosound. Sprache und Eindeutigkeit in Vielfalt sind elementare Baustoffe einer funktionierenden Demokratie.  

Somit hat die Sprache in der Politik eine doppelte Funktion: Sie vermittelt die Aktivitäten der Regierenden, und sie reflektiert die Meinungen und die Morphologie einer Gesellschaft und ihrer Sprachteilnehmer. 

Darin liegt die Antwort auf die Frage, warum wir so unzufrieden sind. Unzufrieden mit dem allgemeinen Zustand – und damit auch mit der Demokratie.

Multiple Störgeräusche

Die Ereignisse und multiplizierten Störgeräusche aus Echokammern, digitalen Medien, radikalen Minderheiten und Staatsverdrossenen sind sozusagen zu schnell geworden für die Demokratie und auch zu vielstimmig. Das, was die westliche demokratische Menschheit früher als Widerspruch oder Einspruch gegen bestimmte Entscheidungen oder Vorgänge erlebte, waren sehr singuläre Erscheinungen in den wenigen Medien, die zur Verfügung standen. Dazu kam ein Filter durch „vernünftige“ oder auch kundige Übersetzer, Journalisten, Redakteure, die vor ihren Kommentaren oder gar Meinungen sorgfältig recherchiert hatten. Gab es eine Gegenmeinung, so wurde diese diskutiert.

Es gab keine Vielstimmigkeit, sondern es gab Pro und Contra, und man konnte den Dingen folgen und Entscheidungen waren nachvollziehbar

Die digitale Welt hat die neue Möglichkeit geschaffen, dass Minderheiten die verunsicherte Mehrheit vor sich hertreiben. Mit ihrer Vielstimmigkeit und Lautstärke verändern sie den oben genannten vertrauten Soziosound nachhaltig. Wenn die Welt rundherum nicht mehr so klingt, wie man es gelernt und verinnerlicht hat, dann fühlt man sich nicht mehr „daheim“. Der Vertrauenskollaps in das System und die Unzufriedenheit übersetzen sich ins Handeln. Sich nicht mehr heimisch zu fühlen im ehemals Heimischen ist eine gefährliche Entwicklung und führt zur Sehnsucht nach einer festen Position, einer Vereinfachung im Trubel der Möglichkeiten, und damit zu einer Ablehnung von komplexen demokratischen Prinzipien.

Besser gleich eine Diktatur!

Die individuelle Schlussfolgerung lautet dann: „Die Demokratie – bzw. ihre Politik – hat mich nicht vor den Fremden geschützt, sie hat meine Ängste und meine Xenophobie als Fremdenfeindlichkeit, statt als Fremdenangst übersetzt. Sie hat meine Sorgen und Bedenken nicht gehört, sie hat nicht auf meinen alltäglichen Kampf um Job, Würde, Einkommen reagiert. Sie hat es zugelassen und durch falsche Entscheidungen herbeigeführt, dass es mir und der nächsten Generation schlechter statt besser geht. Sie hat mich getäuscht, und belogen. Sie hat mich mit Verhaltensregeln überzogen, die von Minderheiten kommen und mit meiner Lebensrealität nichts zu tun haben. Sie unterdrückt mich durch Zwangsmaßnahmen und diktiert meine Sprache, mein Denken und Verhalten und Leben, ohne dieses besser zu machen. Da kann ich gleich eine Diktatur bevorzugen.“

Der Verlust des Heimatgefühls geht auch einher mit der Feindlichkeit gegen alles andere. Damit wird es dem „anderen“ auch schwer gemacht, zum Heimischen zu werden. So verändert sich die Sprache, der Klang in der Welt, durch die hinzugekommenen „anderen“, aber eben auch durch die gefährliche und demokratiepolitisch bedenkliche Wirkungsmacht der Minderheiten. Diese sollen und müssen respektiert werden, ja, aber ihnen die Macht und Deutungshoheit über die Sprache, die Infrastruktur, das gute Benehmen, das Essen etc. zu überlassen ist demokratiepolitisch fahrlässig und definitiv der falsche Weg. Dieser führt über den Verlust einer vernunftgetragenen ausgewogenen Politik und ihrer Kommunikation geradewegs in jenes Desaster, wovor uns die etablierten, aber offenbar hilflosen demokratischen Parteien gerade vor Wahlen immer wieder eindringlich warnen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Autor: <strong>Hans Bachmann </strong>(*1948) studierte Volkswirtschaft und Politikwissenschaft in Wien und Sydney. Er arbeitete als Werbetexter, Berater und Lehrer. Unterrichtstätigkeit als Dozent an den Fachhochschulen Joanneum und Hagenberg. 
Der Autor: Hans Bachmann (*1948) studierte Volkswirtschaft und Politikwissenschaft in Wien und Sydney. Er arbeitete als Werbetexter, Berater und Lehrer. Unterrichtstätigkeit als Dozent an den Fachhochschulen Joanneum und Hagenberg. Beigestellt

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