Geldpolitik

Sesselrücken bei der türkischen Notenbank

Nach nicht einmal acht Monaten als Zentralbankchefin musste Hafize Gaye Erkan gehen.
Nach nicht einmal acht Monaten als Zentralbankchefin musste Hafize Gaye Erkan gehen.Emin Sansar/Anadolu Agency via Getty Images
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Nach dem Rücktritt von Hafize Gaye Erkan als Notenbankchefin übernimmt Fatih Karahan, ein ehemaliger Fed-Banker.

Istanbul. Die türkische Zentralbank hat einen neuen Chef. Der bisherige Vizechef Fatih Karahan wurde zum neuen Leiter der Notenbank ernannt, wie am späten Freitagabend im türkischen Amtsblatt bekannt gegeben wurde. Der 42-jährige ehemalige Banker der US-Notenbank Fed löst damit die bisherige Chefin Hafize Gaye Erkan ab, die wenige Stunden zuvor überraschend ihren Rücktritt angekündigt hatte.

Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, hatte Karahan bereits im Juli vergangenen Jahres zu einem der drei neuen stellvertretenden Gouverneure der Zentralbank ernannt. Karahan hatte Wirtschaftswissenschaften in den USA studiert und arbeitete zuvor bei der Federal Reserve Bank von New York. Außerdem war er 2022 als leitender Wirtschaftswissenschaftler für Amazon tätig. 

Erkan hatte die Zentralbank seit vergangenem Juni geleitet und war die erste Frau, die das Amt innehatte. Doch die 44-Jährige war wegen Vorwürfen der Günstlingswirtschaft unter Beschuss geraten. Auslöser war ein Bericht der regierungskritischen Tageszeitung „Sözcü“, die eine Mitarbeiterin der Zentralbank mit der Aussage zitiert hatte, Erkans Vater habe sich unrechtmäßig in Personalentscheidungen eingemischt. Er soll auch von der Zentralbank ein Büro, einen Dienstwagen und Personenschützer gestellt bekommen haben. Erkan wies die Vorwürfe zurück. Auf der Plattform X schrieb sie, sie trete zurück, um ihre Familie und ihr „unschuldiges Kind“ zu schützen.

Berichten zufolge soll Erdoğan zudem verärgert gewesen sein, weil Erkan im Jänner der Zeitung „Hürriyet“ gesagt hatte, sie sei wieder bei ihren Eltern eingezogen, weil sie wegen der hohen Mieten keine erschwingliche Wohnung in Istanbul gefunden habe.

Während Erkans Amtszeit hatte sich die türkische Notenbank massiv gegen die hohe Inflation im Land gestemmt. Die Zentralbankerin hob den Leitzins schrittweise auf bis zu 45 Prozent an. Zuvor war er noch wesentlich niedriger bei 8,5 Prozent gelegen. Erdoğan hatte sich jahrelang gegen eine solche Geldpolitik gewandt: Er vertrat die ökonomisch eigenwillige Ansicht, wonach gerade hohe Zinsen die Inflation befeuern würden. Nach Erkans Rücktritt am Freitag kündigte Finanzminister Mehmet Şim­şek an, die bisherige Wirtschaftspolitik werde fortgeführt.

Die Inflation liegt in der Türkei mit etwa 65 Prozent immer noch extrem hoch. Nach einem Anstieg auf 85 Prozent im Jahr 2022 war sie zeitweise zwar gefallen, zuletzt aber wieder gestiegen. Ein Grund für die hohe Inflation ist die schwache Landeswährung Lira, die Einfuhren in die Türkei erheblich verteuert.

Leitzins bei 45 Prozent

Erst im Jänner hatte die türkische Zentralbank den letzten Zinsschritt gesetzt, eine Anhebung um 2,5 Prozentpunkte auf 45 Prozent. Damals hieß es, dass der Leitzins auf dem aktuellen Niveau bleiben werde, bis der Inflationstrend nach unten deute. Zudem müssten sich die Inflationserwartungen den Prognosen der Notenbank annähern. Sollten sich neue Inflationsrisiken ergeben, werde der geldpolitische Rat die Ausrichtung der Zinspolitik überprüfen.

Präsident Erdoğan, der in den Jahren vor Erkans Amtsantritt wiederholt gegen Zinserhöhungen und hohe Zinsen gewettert hatte, hatte den geldpolitischen Kurs der Ex-Notenbankchefin nicht kritisiert. (ag./red.)

Fatih Karahan leitet nun die Geschicke der türkischen Lira.
Fatih Karahan leitet nun die Geschicke der türkischen Lira.Arife Karakum/Anadolu

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