Gastkommentar

Equal Pay Day: Augen auf bei der Berufswahl?

Eine kluge Berufswahl löst nicht automatisch den enormen Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen in Luft auf.

In diesem Jahr arbeiten Frauen in Österreich 45 Tage gratis. Ausgerechnet der Valentinstag markiert diesmal den Equal Pay Day. Statistisch haben Frauen bis zu diesem Datum gratis gearbeitet. Frauen bekommen im Schnitt 12,4 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Wir bezahlen gleichwertige Leistung unterschiedlich, je nachdem ob die Leistung von einem Mann oder einer Frau erbracht wird.

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In kaum einem anderen Land in der EU bekommen Frauen um so viel weniger Lohn als die männliche Kollegenschaft. Das liegt aber nicht daran, dass die Arbeit von Frauen tatsächlich weniger wert ist, sondern daran, dass ihr gesellschaftlich weniger wert zugeschrieben wird. Es ist schließlich kein Naturgesetz, dass ein Automechaniker im ersten Dienstjahr 400 Euro brutto pro Monat mehr Gehalt bekommt als eine Altenpflegerin.

Gegen den enormen Einkommensunterschied soll eine kluge Berufswahl helfen. „Frauen rein in die gut bezahlten Männerbranchen und Mint-Fächer.“ Wenn alle Frauen in die IT oder ins Ingenieurwesen wechseln, wer übernimmt ihre Jobs? Irgendjemand muss schließlich Alte pflegen, Kindern lesen beibringen und den OP-Saal putzen. Selbst wenn wir ausklammern, dass wir händeringend mehr Leute in der Pflege und Kinderbetreuung suchen – Stichwort Mangelberuf –, schließt ein Wechsel der Branche die Lohnlücke für Frauen nicht. In traditionell männlich dominierten Berufsfeldern ist die Lohnlücke mitunter am größten.

Entwertung weiblicher Arbeit

Geht eine Frau nach ihrem Masterabschluss in die Branche Ingenieurwesen, verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe, bekommt sie schon nach eineinhalb Jahren um 17,5 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Selbst wenn sie einen Master absolviert hat und die männlichen Kollegen nach dem Bachelorabschluss in den Job gestartet sind, bekommt sie um elf Prozent weniger Gehalt trotz des höheren Bildungsabschlusses.

Studien zeigen außerdem einen weiteren Effekt: Drängen vermehrt Frauen in eine Branche, dann sinkt im Schnitt der Lohn. Sobald der Frauenanteil über 60 Prozent ausmacht, setzt die Lohnentwertung in dieser Branche ein. Frauen bringen ihre traditionell geringe Bezahlung also auch in neu erschlossene Branchen mit. Übernehmen hingegen Männer den Laden, dann steigt das Ansehen des Berufs – und damit auch das Gehalt.

Daraus resultiert, dass es deutlich mehr gut bezahlte Männerbranchen- und -berufe als Frauenbranchen gibt. Von 36 gut bezahlten Branchen sind 29 männlich dominiert, nur in sieben haben die Frauen die Nase vorn. Anders gesagt: Auf jede gut bezahlte Frauenbranche kommen vier Männerbranchen.

Transparenzvorbild Island

Ein wesentlicher Hebel gegen ungleiche Bezahlung kommt in Österreich kaum zum Einsatz. Für Lohndiskriminierung braucht es Intransparenz. Ein Blick nach Island zeigt, wie es anders geht. Um die Lohnlücke gänzlich zu schließen, führte Island 2018 das verpflichtende „Equal-Pay-Zertifikat“ ein. Zahlt ein Betrieb gleiche Leistung von Männern und Frauen nicht gleichwertig, werden tägliche Strafzahlungen fällig.

Das ist eine gute Blaupause für die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz. Österreich muss diese bis 2026 umsetzen. Höchste Zeit, dass wir hier richtig Meter machen. Mit dem aktuellen Tempo braucht es sonst noch 300 Jahre, bis gleichwertige Leistung von Männern und Frauen gleich entlohnt wird.  

Katharina Mader (*1981) ist Chefökonomin am Momentum-Institut und unterrichtet an der Wirtschaftsuniversität Wien. Zu Ihren Forschungsschwerpunkten zählen Finanz- und Budgetpolitik, Ungleichheit und Verteilung sowie feministische Ökonomie.

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