Gastkommentar

Wie viel politische Verantwortung hat die Wirtschaft?

Peter Kufner
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Raushalten oder nicht? Sollen sich Spitzenmanager aktuell gegen Rechtspopulismus und für eine freie und offene Gesellschaft einsetzen?

Von Unternehmen und ihrem Spitzenpersonal wird viel – und immer mehr – erwartet. Selbstverständlich sollen Unternehmen innovative Produkte und Dienstleistungen schaffen, die in Preis und Qualität kompetitiv sind. Sie sollen möglichst viele und attraktive Arbeitsplätze bereitstellen, Steuern zahlen und sich an geltende nationale und internationale Gesetze halten. Das Gros der österreichischen Unternehmen erfüllt diese Erwartungen par excellence: Österreichische Produkte und Dienstleistungen sind weltweit beliebt, die hiesigen Arbeitsplätze sind im globalen Vergleich sicher und gut bezahlt – auch aufgrund der Errungenschaften der Arbeitnehmervertretung und der Sozialpartnerschaft. Unternehmen kofinanzieren mittels Steuern und Sozialabgaben einen weit ausge­fächerten Sozialstaat, der seinen Bürgern Sicherheit sowie den Zugang zu einem vergleichsweise modernen Bildungs- und Gesundheitssystem ermöglicht, eine gute Infrastruktur bereitstellt und eine international hochgeschätzte Kulturlandschaft fördert. Österreich ist – auch dank seiner Unternehmen – ein wohlhabendes, friedliches, sicheres und soziales Land, mit einer Hauptstadt, die zu Recht (!) in vielen Rankings als lebenswerteste Stadt der Welt gilt.

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Freiwillig geht ja immer

Darüber hinaus übernehmen Unternehmen häufig freiwillig eine gesellschaftliche Verantwortung: Sie bringen sich in ihre „Communitys“ ein, helfen dort, wo der Staat mitunter nicht genügend Mittel zur Verfügung stellt. Sie unterstützen Umweltprojekte, Krankenhäuser, Kinderheime, Stadtteilprojekte und fördern Kulturinstitutionen. Für viele Empfänger sind diese Unterstützungen überlebenswichtig, sie fördern jedenfalls die Qualität des Angebots.

Diskutiert wird nun, ob Unternehmen und ihrer Spitzenmanager auch eine politische Verantwortung tragen. Konkret: Sollen sie sich in der aktuellen politischen Gemengelage gegen Rechtspopulismus und Extremismus sowie für eine freie und offene Gesellschaft einsetzen?

In Deutschland ist diesbezüglich bereits ein Trend zu erkennen. Zahlreiche Unternehmen und ihre Manager nutzen ihre mediale Reichweite und ihren Einfluss, um sich gegen Populisten zu wehren, die vorgeben, für ein homogenes Volk zu sprechen, und in dessen Namen einen autoritären Politikstil sowie Fremdenfeindlichkeit propagieren, einen Austritt Deutschlands aus der EU in Aussicht und den menschengemachten Klimawandel in Abrede stellen.

Die politisch aktiven Unternehmen und ihre Manager begründen dieses Engagement überwiegend instrumentell mit ökonomischen Argumenten: Die Rechtspopulisten wenden sich gegen Einwanderung, obwohl Fachkräfte fehlen; sie bekämpfen die EU, obwohl die europäische Integration der beste Weg ist, den Wohlstand Europas zu bewahren; sie propagieren wirtschaftliche Abschottung, obwohl der ökonomische Erfolg auf der Globalisierung fußt; sie leugnen den Klimawandel, obwohl dessen verheerende Folgen bereits sichtbar sind. 

Viele sehen Standort Deutschland gefährdet

Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass die Gefahr des Populismus den Standort Deutschland gefährde. Christian Sewing, der Vorstandschef der Deutschen Bank, fand eindeutige Worte: „Internationale Investoren beobachten (das Erstarken der extremen Rechten) mit zunehmender Skepsis. Sie hinterfragen auch, ob sie langfristig auf die demokratischen Werte und Strukturen vertrauen können, die ein wichtiges Kalkül für ihr Engagement in Deutschland sind.“ Ähnliche Argumente lassen sich auch für den Wirtschaftsstandort Österreich vorbringen.

Einige Wirtschaftsethiker, zu denen ich auch zähle, konstatieren zudem, dass die Rechtspopulisten und Extremisten mit ihren antiliberalen Zügen per se die Bedingungen für die Möglichkeiten des Wirtschaftens, wie wir es kennen, gefährden. Mein St. Gallener Kollege Thomas Beschorner und ich schreiben an anderer Stelle: „Eine der zentralen Errungenschaften in Deutschland (und in Österreich) nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Soziale Marktwirtschaft. Diese erfordert eine demokratische Verfassung, wie sie umgekehrt – will sie das Soziale in ihrem Namen verdienen – zur freiheitlich-demokratischen Gesellschaft beiträgt. Walter Eucken, einer der Begründer des Ordoliberalismus, nannte das die „Interdependenz der Ordnungen“. Das freie Individuum, Demokratie und Soziale Marktwirtschaft sind dabei aufeinander angewiesen. Gerät eine dieser Säulen in Gefahr, so wanken auch die anderen. Unternehmen können an derlei Unsicherheit nicht interessiert sein.“

Einwenden ließe sich an dieser Stelle, dass Wirtschaft und Politik getrennte Sphären seien und Unternehmen sich aus der Politik heraushalten sollten. Dieser Einwand ist schwer aufrechtzuerhalten. Erstens sind Unternehmen bereits politische Akteure. Sie werden vernünftigerweise bei Gesetzgebungsverfahren konsultiert und bringen sich regelmäßig – häufig mittels ihrer Verbände und Kammern – zum Schutz ihrer Belange in die Politik ein. Wenn sich nun Unternehmenslenker, wie das in Deutschland bereits passiert, gegen das Getöse und die Umsturzfantasien der Populisten und Extremisten einsetzen, verfolgen sie auch ihre eigenen ökonomischen Interessen. Will ein Unternehmen ökonomisch erfolgreich sein, braucht es entsprechende Umfeldbedingungen. Die Rechtspopulisten zerstören mit ihrer Fantasie vom „autarken, ethnisch homogenen Volk“ die Bedingungen für Wohlstand sowie für die Prosperität einer Volkswirtschaft und damit auch Chancen für Unternehmen.

Bürger, misch dich ein!

Zweitens sind Wirtschaftsführer, auch in einer funktional differenzierten Gesellschaft, genauso wenig nur ihrer Berufsrolle verpflichtet, wie Bürokraten nur die Empfänger und Abarbeiter von Anweisungen sind. In Deutschland und in Österreich ist jeder Bürokrat, jeder Manager, jeder Unternehmer zugleich – oder vor allem – Bürger eines republikanischen Staates. Als solchem kann von ihm erwartet werden, dass er sich einmischt. Frei nach dem prominenten Soziologen Ralf Dahrendorf: Bürger müssen den Mund aufmachen und sich äußern im Bewusstsein des großen Privilegs, in einer Demokratie zu leben. Es braucht wachsame Bürger, die auf der Hut sind und sich Gehör verschaffen, wenn sich eine Krise der liberalen Demokratie abzeichnet. Ohne wehrhafte Demokraten ist eine Demokratie nicht zu machen.

Wenn nun eingewendet wird, dass sich die Wirtschaftsführer aus der Politik heraushalten sollten, da sie – anders als Politiker – nicht durch Wahlen politisch legitimiert sind, handelt es sich im Hinblick auf das Engagement gegen Rechtspopulisten und Extremisten um ein Scheinargument. Das allgemeine Einstehen für veritable ökonomische Interessen, für eine (zumindest in Deutschland) verfassungsgestützte freiheitlich-demokratische Grundordnung, für die freie und offene Gesellschaft, welche in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland und in Österreich das Fundament für Wohlstand sowie für Frieden nach innen und nach außen war, ist nicht nur unternehmerisch sinnvoll, sondern zugleich Bürgerpflicht.

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Der Autor:

Markus Scholz ist Universitätsprofessor für Betriebswirtschaftslehre, insb. Responsible Management an der TU Dresden. Er lebt seit über zehn Jahren in Wien. Er hat u. a. das Institute for Business Ethics and Sustainable Strategies aufgebaut.

Beigestellt.

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