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Befreite Frauenbewegung: Brustgurt ohne Gurt

Das Gadget wird an den Sport-BH geklippt.
Das Gadget wird an den Sport-BH geklippt.Tom Rottenberg
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Pulsmessung via Brustgurt ist die genaueste und zuverlässigste Art, beim Sport Puls- und andere Daten zu sammeln. Doch die Kombination von Sport-BH und Brustgurt führt bei Frauen oft zu schmerzhaften Scheuerstellen oder dem Gefühl massiver Einengung. Nicht aber beim „HRM-Fit“ von Garmin.

Als vor mittlerweile gut zehn Jahren die ersten Sportuhren auf den Markt kamen, die den Puls ihrer Userinnen und User direkt am Handgelenk maßen, wurde das als Quantensprung wahrgenommen und auch so kommuniziert. Von Männern, aber vor allem von Frauen: Ilse Dippmann, die Veranstalterin des österreichischen Frauenlaufes, erzählte damals schmunzelnd, wie der Stand eines Herstellers am Rande ihrer Veranstaltung von Frauen regelrecht „gestürmt und überrannt“ wurde. Kein Wunder, schließlich befreite der an der Uhren-Rückseite sitzende optische Sensor sportliche aktive Frauen von den bis dahin zur Puls- und Herzfrequenzmessung alternativlosen „Brustgurten“.

Das „alternativlos“ war zwar unisex, das Wort „Befreiung“ galt aber ausnahmslos für Frauen. (Für Männer wurde das Sport-Leben durch die Handgelenks-Pulsmessung lediglich komfortabler.) Heute sind optische Puls-Sensoren auf der Uhr-Unterseite „State of the art“. Man muss sie dem Publikum nicht mehr erklären oder bewerben. Das hat einen weiteren Vorteil: Hersteller von Sport-Computern und -Gadgets müssen jetzt nicht mehr so tun, als wären die (meist) grün blinkenden Lichter, die – grob vereinfacht gesagt – die minimalen Volumens-Veränderungen der Haut durch den Pulsschlag messen, unfehlbar und das Gelbe vom Ei. Für wirklich genaues, verlässliches Messen taugen sie nämlich nur eingeschränkt.

Sensoren übertragen mit ANT+ und Bluetooth

Aber der Reihe nach: Brustgurte zur Pulsmessung waren – und sind – meist zwischen drei und fünf Zentimeter breite Gummibänder. Sie werden unmittelbar unterhalb der Brust möglichst eng angelegt – so, dass sie nicht verrutschen. Ihre Sensoren erfassen den Herzschlag und übertragen ihn per Funk an Laufuhr oder Sportcomputer. Etwa den am Fahrradlenker. Aber auch Stepper, Laufbänder oder Indoor-Bikes im Gym und sogar Handys können die Daten lesen, die diese Sensoren auslesen und übertragen. Nicht zuletzt, weil die Gurte neben dem traditionellen, bei Sport-Gadgets gängigen Funk-Protokoll „ANT+“ irgendwann auch „Bluetooth“ zu sprechen lernten. (Nebenbei: Letzteres - also das mit den Handys – hören und lesen Sportuhr-Hersteller nicht so gern. Günstige Bluetooth-Pulsgurte gibt es ab 25 Euro, Bluetooth-taugliche ab 45 Euro, Sport-Handy-Apps sind oft gratis: Wer braucht da noch eine 500-Euro-Uhr? Aber das ist eine andere Geschichte.)

Dennoch sind die genau und präzise messenden Gurte der namhaften Hersteller ebenso wie weit weniger verlässlichen No-Name-Billig-Produkte problematisch – vor allem für Frauen: Während Männer sich von zu eng geschnallten Gurten wenn überhaupt allerhöchstens ein bisserl eingeengt fühlen, ist die Kombination aus Gurt und Sport-BH für sie oft suboptimal. Zurückhaltend und höflich formuliert. Denn der Gurt wird genau unter der Unterkante des Sport-BHs platziert. Um guten Halt und Stütze zu bieten, muss ein Sport-BH aber fest und eng anliegen. Er soll gleichzeitig so flexibel sein, die Bewegungen seiner Trägerin nicht zu behindern. Atmung und Aktivität halten das textile Gewebe ständig in Spannung und Bewegung. Der Brustgurt aber soll und darf sich möglichst nicht bewegen. Allein schon der doppelte Druck von Gurt und BH wird von vielen Frauen als extrem beengend empfunden.

Bewegung darf nicht schmerzen

Doch die Kombination kann auch böse Folgen haben. Etwa wenn Gurt und BH zuerst aneinander reiben und dann die Haut aufscheuern. Was am Anfang als leichte Reibung vielleicht gar nicht bemerkt, wahr- oder ernstgenommen wird, verwandelt sich oft binnen kurzer Zeit in schmerzhafte bis blutige Schrunden. Im schlimmsten Fall infizieren Schweiß oder Staub die Wunde. Aber auch wenn nicht: Bewegung darf nicht wehtun. Doch wenn der Sport-BH, seine textile Textur oder sein Schnitt und der Brustgurt nicht miteinander „können“, ist genau das der Fall: So manche Frau trägt von dieser toxischen Kombination dann sogar Narben davon. Kein Wunder also, dass die (weibliche) Sport- und Laufwelt die Pulsmessung am Handgelenk geradezu frenetisch bejubelte – und über die Schwächen der Handgelenksmessung gern und geflissentlich hinwegsah. Oder es zumindest versuchte.

Das Handgelenk (gemessen wird dort, wo die Uhr sitzt, also an der Außenseite) ist nämlich der denkbar ungünstigste Ort, den Puls zu messen. Zu viele Störfaktoren (Licht von der Seite, Pigmentierung, Erschütterungen, loser Sitz der Uhr usw) können das Ergebnis verfälschen. Ganz abgesehen davon gibt es eine Vielzahl von Sportarten, wo die Uhr am Handgelenk stört oder sogar verboten ist. Am Rad hat man Daten besser am Lenker; bei Ball- oder gar Kampfsportarten kann die Uhr Freund wie Feind verletzten. Dennoch ist der Puls auch hier einer der wichtigsten, wenn nicht der allerwichtigste Parameter, um Training zu steuern und zu evaluieren. Kurz gesagt: Wer wissen wollte und will, wie der Körper tickt, kam am Brustgurt auch weiterhin nicht vorbei. Ganz abgesehen davon, dass High-End-Brustgurte längst nicht nur Herzschläge zählen.

Workarounds als Sackgassen

Natürlich versuchte man es mit „Workarounds“: Sport-BHs etwa, in die die sensiblen Sensoren gleich mit eingearbeitet waren. Aber: Wie wäscht man so ein Teil? Was kostet es? Wie viele Größen und Passformen muss man herstellen und lagernd haben? Wie viele dieser teuren Teile wird oder muss Frau kaufen? und so weiter…

Also geschah lange, was zu erwarten war: nichts. Gurte scheuerten, Frauen litten – oder hatten die Wahl zwischen eventuell ungenauen oder gar keinen Pulsdaten.

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Bis der US-Sportcomputergigant Garmin diesen Jänner den „HRM-Fit“ auf den Markt brachte: einen Brustgurt ohne Gurt nämlich. Denn statt mit einem Gummiband den ganzen Oberkörper zu umfassen, ist der 159 Euro teure Heartrate-Monitor (HRM) im Grunde ein Kunststoffbügel mit drei Anklipp-Klammern. Mit denen wird das Gerät an die Unterkante des Sport-BHs geknipst – fertig. Ja, das klingt fast schon zu einfach, um die Lösung eines über Jahrzehnte bekannten Problems zu sein. Aber vielleicht stimmt es ja sogar.

Denn Konnektivität und Leistungsspektrum des HRM-Fit für Frauen gleichen denen der „klassischen“ Garmin-Brustgurte. Und die liefern (wie auch bei den großen Mitbewerbern) längst ein weit größeres Spektrum als „nur“ Pulswerte: Mit dem passenden Device (also Uhr oder Computer aus dem jeweiligen Marken-Ökosystem) verbunden, können solche Brustgurte auch Laufeffizienzdaten erfassen. Also etwa Schrittlänge, Bodenkontaktzeit, Schritthöhe oder Schrittfrequenz. Indoor, also ohne GPS, zählen sie Schritte – und ermöglichen auf dem Laufband oder Stepper dann genaue Distanz- und Geschwindigkeitsbilder.

Kalorien exakter als mit Sportuhren gemessen

Sie errechnen den Kalorienverbrauch exakter als Uhren. Und können Workout-Daten eines Workouts sogar speichern, wenn die Uhr abgelegt ist: Fußball oder Volleyball, HIIT und Tanzen, Boxen und andere Kampfsportarten sind so messbar. Ohne „Gummiband“ jetzt eben auch für Frauen, die wegen des Scheuerns oder der Einengung ohne Pulsmessung trainieren (mussten).

Im Praxistest äußerte sich die erste Testerin – der Autor dieser Zeilen ist ein Mann – dann aber zunächst ambivalent. Obwohl Frau B, eine 23-jährige Läuferin, exakt in die Zielgruppe passt: Über das Wundscheuern durch Brustgurte kann sie nämlich Opern singen. Das allererste Urteil: „Anklippen, aktivieren und verbinden funktioniert problemlos. Auch die Datenübertragung und -anzeige klappt perfekt.“ Trotzdem war B. dann, bei den ersten Laufschritten, „richtig irritiert“: „Ich spürte nix. Wenn man jahrelang gewohnt ist, eingeschnürt zu werden und es immer wieder auch wehtut, ist das richtig verunsichernd: Ich hatte Angst, das Teil könnte sich lösen und rausfallen.“ Freilich: „Es saß in Wirklichkeit fest und sicher: Ich glaube, das ist einfach eine Frage der Gewohnheit.“

Die zweite Befragte, die Wiener Rennrad-Bloggerin Nora Turner (als Influencerin auf Instagram heißt sie „Unicorncycling“), schloss sich dem Urteil fast wortgleich an und schmunzelt über die „jahrelange Prägung“ den „klassischen“ Brustgurt „etliche Stunden pro Woche ständig gespürt zu haben“ – und dann eben plötzlich gar nicht mehr. Turner ist – das muss angemerkt werden – Garmin-Markenbotschafterin. Allerdings auch Jung-Mutter: „Ich hatte den Gurt unter anderem auch beim Stillen oben, hab den Sport BH nach oben gezogen und die Clips haben danach noch gut gehalten. Ich war danach noch am Markt und hab einfach vergessen, dass ich den Gurt oben hatte: Das wäre mir mit dem klassischen Gurt nie passiert.“

Freilich hat diese „neue Freiheit“ auch ihren Preis: Während man günstige „klassische“ Pulsgurte (die dann aber nur den Puls messen) online schon ab 30 Euro findet, schlägt Garmins HRM-Fit mit 159 Euro zu Buche.

www.garmin.com

Compliance-Hinweis: Der HRM-Fit-Gurt wurde von Garmin für den Zeitraum des Tests zur Verfügung gestellt und danach zurückgeschickt.

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