Expedition Europa: Demokratie auf der Akropolis? Meinem Sohn gehen die sieben Athener Buben und Mädchen nicht aus dem Kopf, mit denen Jahr für Jahr der Minotaurus gefüttert wurde.
Nun, da die Demokratie auch in einigen großen Ländern des Westens für bedroht erachtet wird, verbringen wir viereinhalb Tage am Fuß der Akropolis. Die Vorstellungen meiner Kinder sind durch Märchen und Filme von Monarchien geprägt, von Kronen, Thronen, Palästen und Prinzessinnen. Wo, wenn nicht an den Ursprüngen der Athener Volksherrschaft, könnte ich ihnen die Vorzüge der Demokratie näherbringen?
Seit der Lektüre von Thukydides fasziniert mich das Lehrstück von Demokratie und Demagogie, das sich 415 v. Chr. auf der Athener Volksversammlung „Ekklesia“ zutrug: Der „radikale Demokrat“ Alkibiades – ein verführerischer Heerführer, Liebhaber und Redner, der später zu Athens Erzfeinden Sparta und Persien überlaufen sollte und am Ende von seiner Lieblingsprostituierten begraben wurde – brauchte offenbar nicht viel mehr als eine Rede, um das Volk für einen Krieg gegen Syrakus zu entflammen. Der „gemäßigte Demokrat“ Nikias, Autor des Nikiasfriedens, suchte das verhängnisvolle Abenteuer abzuwenden, indem er einen enormen Truppenaufwand veranschlagte – was die kriegsgeile Masse freilich umgehend bewilligte. Ich wollte den Schauplatz dieser Rede, wegen der die Wildwuchsversion direkter Demokratie später reformiert wurde, sehen.
Das Publikum der Akropolis ist etwas vornehmer als an anderen Touri-Hotspots Europas
Auf dem Höhepunkt der Nebensaison wandern wir auf die Akropolis hinauf. Angenehm wenig Kommerz, Eintritt für Kinder bis zu 25 Jahre frei, oben ein Wasserspender. Das Publikum der Akropolis ist etwas vornehmer als an anderen Touri-Hotspots Europas. Leicht über die Stränge schlagen zwei Gruppen männlicher Teenager: Die eine Gruppe spricht Griechisch, die andere britisches Englisch, gekleidet sind sie genau gleich.