Gastkommentar

Es braucht vor allem Wohnungen für Familien!

Die eine Milliarde teure Wohn- und Bauoffensive der Regierung hat gute Ansätze. Aber welche Wohnungen werden überhaupt benötigt?

Der Wohnungsmarkt hat eine Vollbremsung hingelegt und sich dabei komplett verändert. Die Nach­frage im Immobilienkauf ist stark rückläufig. Wenn gekauft wird, liegt der Fokus auf Gebraucht­immobilien, vor allem sanierten Objekten. Im Neubau-Erstbezug fehlen die Käufergruppen zunehmend. Bauträger haben viele Projekte verschoben oder auf Eis ­gelegt. Durch rückläufige Baugenehmigungen wird der Wohnraumbedarf in Österreich in den nächsten drei Jahren nicht mehr bedient werden.

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Der Druck auf die Immobilienbranche steigt dadurch. Die Verknappung des Wohnraum­angebots auf dem österreichischen Immobilienmarkt ist absehbar. Die Gründe dafür liegen an der hohen Inflation, wirtschaftlichen Unsicherheiten und strengeren Kreditbedingungen durch die KIM-Verordnung. Vor allem Personen im Alter von bis zu 35 Jahren entscheiden sich heute eher gegen Eigentum. Viele weichen in die Miete aus, was wiederum Auswirkungen auf die Mietpreise hat.

Die Immobiliensuche ist bereits jetzt ein Geduldspiel, vor allem für Familien. Jede zweite ­Familie sucht länger als ein Jahr. Im Jahr 2025 wird es vor allem in Wien eine zunehmende Wohnungsknappheit geben. Die geplante Wohn- und Bauoffensive der Regierung ist daher ein Schritt in die richtige Richtung, denn es mangelt an leistbarem Wohnraum.

Vor allem braucht es mehr Drei- und Vierzimmerwohnungen. Diese fehlen auf dem Markt, aus guten Gründen: Eine Vierzimmerwohnung zu bauen ist für Bauträger immer noch ein größeres Risiko als zwei Zweizimmerwohnungen, weil diese schneller weggehen. Der Anlegermarkt der Vergangenheit hat vor allem kleine Immobilien priorisiert. Die typischen Anlegerwohnungen der letzten zehn bis fünfzehn Jahre waren 40 bis 55 Quadratmeter große Zweizimmerwohnungen. Größere Familienwohnungen standen dabei nicht im Fokus. Nach wie vor herrscht bei vielen Vermieterinnen und Vermietern die Meinung, dass Familien mit Kindern eine größere Abnutzung der Immobilie verursachen und es zu Lärmbildung kommt. Vergessen wird häufig, dass Familien aber wesentlich seltener umziehen, die Vermieter also viel langfristiger vermieten können.

Der Wunsch nach Eigentum in Österreich ist da

Die Eigentumsquote in Österreich ist mit 48 Prozent im Europavergleich besonders niedrig. Wir wissen aber aus der Wohnbaustudie 2023, dass die Schaffung von Eigentum immer noch ein großer Wunsch für die Österreicherinnen und Österreicher ist.

Eigentum bedeutet für viele Altersabsicherung und Vorsorge. Die Maßnahmen der Regierung sind daher prinzipiell begrüßenswert. Die Kaufnebenkosten stellen einen nicht unerheblichen Faktor bei der Schaffung von Eigentum dar. Beim Gesamtfinanzierungsbetrag wird die Streichung der Nebenkosten sich positiv auswirken. Das spart Geld und ist definitiv ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Die Finanzierbarkeit ist ein entscheidender Aspekt dabei, ob der Wunsch nach Eigentum Realität werden kann. Darlehen bis zu 200.000 Euro mit maximal 1,5 Prozent zu stützen ist daher sinnvoll. Diese Maßnahme stärkt das Vertrauen, dass Wohnen wieder als sicheres und langfristiges Investment gesehen wird.

Martina Hirsch.
Martina Hirsch. C. Huger

Mit der Wohn- und Bauoffensive setzt Österreich ein starkes Zeichen gegen eine drohende Wohnungsnot. Die Schaffung von zusätzlichen 20.000 neuen und die Sanierung von 5000 Wohneinheiten sind ein erster Schritt auf diesem Weg. Allerdings auch nur ein erster Schritt.

Mag. Martina Hirsch, Geschäftsführerin von S Real, ist eine der führenden Immobilienexpertinnen Österreichs.

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(„Die Presse“, Print-Ausgabe 1.3.2024)

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