Design und Architektur

Kippt das Klima schneller als die Stimmung unter den Architekten?

Haus der Zukunft oder doch nur Ornament? Wabenhaus von Peter Haimerl in München.
Haus der Zukunft oder doch nur Ornament? Wabenhaus von Peter Haimerl in München.Foto: Edward Beierle
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Es hat lange gedauert, bis die drohende Klimakatastrophe als zentrale Herausforderung für das Bauen erkannt wurde.

Die Fakten sind hinlänglich bekannt: Wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung auf ein Ausmaß von plus 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken, wird es ungemütlich auf unserem Planeten. Konkret bedeutet das unter anderem, dass beim Überschreiten dieses Durchschnittswerts keine Ernährungssicherheit für die wachsende Weltbevölkerung mehr gegeben wäre. Im Jahr 2015 haben sich 195 Staaten in Paris auf das 1,5-Grad-Ziel verpflichtet.

2018 erstellte das Intergovernmental Panel for Climate Change, kurz IPCC, einen Bericht, nach dem dieses Ziel sinnvoll und noch erreichbar wäre, allerdings mit großen Anstrengungen bereits in den Jahren vor 2030. Die EU hat sich daher eine Reduktion der CO2-Emissionen um 55 Prozent bis zu diesem Datum als Ziel gesetzt.

Das Bauwesen trägt zu diesen Emissionen mehr bei als jeder andere Sektor der Wirtschaft. Das mag überraschen, war man doch seit den 1970er-Jahren gewöhnt, das Problem vor allem im Energieverbrauch für das Heizen und Kühlen unserer Häuser zu sehen. Die Sorge galt der Frage, ob die Öl- und Gasreserven dafür ausreichen.

Verantwortlich für 60 Prozent des Ressourcenverbrauchs

Dass wir es nicht mit einem Energie-, sondern mit einem Emissionsproblem zu tun haben, wurde erst Anfang der 1990er-Jahre klar, als die Beweise für den menschengemachten Klimawandel nicht mehr zu leugnen waren.

Die Menschheit hat, zumindest auf längere Sicht betrachtet, kein Energieproblem. Allein die Sonne liefert 10.000 Mal mehr Energie, als wir verbrauchen, dazu kommen Wind- und Wasserkraft. Das ändert allerdings nichts daran, dass das Bauwesen zusätzlich zu Heizung und Kühlung noch massiv zu den globalen klimaschädlichen Emissionen beiträgt.

Das liegt einerseits an den fossilen Energien, die für die Herstellung von Baumaterialien nötig sind. Allein die Zementindustrie trägt fünf bis sieben Prozent zu den globalen Emissionen bei. Da diese Materialien oft über weite Strecken transportiert werden, entstehen zusätzliche Emissionen, die dem Bauwesen zuzurechnen sind. Andererseits kommen noch die Abbruchmaterialien dazu, die viel zu günstig deponiert werden können.

Alles in allem ist das Bauwesen in den Industrienationen für 60 Prozent des Ressourcenverbrauchs, 50 Prozent des Mülls, über 35 Prozent des Energieverbrauchs und letztlich über 50 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.

Moratorium für den Neubau

Die Planenden in den Bereichen Architektur und Ingenieurwesen mussten sich erst daran gewöhnen, als Teil des Problems betrachtet zu werden und nicht mehr ausschließlich als Erfinder neuer Welten. Dass es ein paar Jahre gedauert hat, bis das Emissionsthema im Bauwesen von den Rändern ins Zentrum gerückt ist, lag wohl darin begründet, dass im Kern jeder Antwort der Begriff „weniger“ stehen muss: weniger Boden verbrauchen, weniger neu bauen, stattdessen Leerstände nutzen und umbauen. Nur langsam sickerte die Erkenntnis durch, dass es auch ohne Neubau so etwas wie Fortschritt in der Architektur geben könnte.

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