Gastkommentar

Das Märchen von der neuen Salzburger Naturchefin

Salzburgs Landeshauptmann konnte gar nicht anders, als Marlene Svazek den Umwelt- und Naturschutzteppich auszurollen.

Würden Sie einen Fleischhauer zum Tierschutzbeauftragten machen? Nein? Jetzt seien Sie mal nicht so streng. In Salzburg nämlich, da ist etwas ganz Artverwandtes möglich! Dort trug sich im vergangenen Jahr Folgendes zu: Es war einmal ein Landeshauptmann (LH), der ganz deutlich sah, wie sich der heile Himmel über Salzburg verdüsterte. Da lächelte ihm plötzlich eine blaue Lichtgestalt am Horizont entgegen und die Sonne begann wieder zu strahlen. Die Gestalt hatte einen Namen. Sie hieß „Marlene“. Der LH konnte gar nicht anders, als ihr den Umwelt- und Naturschutzteppich auszurollen. Und so nahm das tragisch komische Märchen seinen Lauf.

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Kapitel 1. Marlene, bevor das Märchen vom Regieren begann. Weg mit dieser lästigen Landesumweltanwaltschaft! Eine schöne Idee, dachte Marlene. Wer braucht schon diese Naturschützer, die sogar in Umweltverfahren mitreden dürfen. Also weg mit denen! Der erste Chef von „denen“, das war übrigens Eberhard Stüber, der viele Jahre das Salzburger Haus der Natur leitete. Stüber war es auch, der ein Projekt anregte, welches Marlene gar nicht gut gefiel, nämlich den Ankauf der Antheringer Au durch das Land. Damit wurde ein geschütztes Areal als Naherholungsgebiet geschaffen, das von allen Naturliebhabern bejubelt wurde. Also von fast allen. Überhaupt empfahl Marlene schon in der Opposition, gemeinsam mit ihrem Chef, dem Herbert, Naturschutz mit „Augenmaß und Hausverstand“ zu betreiben. Nun ja, der Herbert hat ja meist eine Brille auf der Nase, da hat er natürlich ein anderes Augenmaß als Wissenschaftler, die Klima- und Umweltschutzthemen erforschen. Solche Menschen, die nennt man auch Experten. Und solche Experten, die mag die Marlene auch nicht so sehr. Weil die sind nämlich kompliziert und sagen unangenehme Dinge und nutzen dabei sogar nicht nur ihren Haus­verstand. „Klimakommunismus!“, hört man da schon den Herbert rufen.

Kapitel 2. Marlene auf dem Red Carpet der Macht. Nun ist sie ja die Chefin für Naturschutz und Familie und sogar für Generationen. Jetzt kämpft sie sicher beherzt für die Anliegen der SalzburgerInnen und ihrer Natur! Oder? Schauen wir mal, was Marlene so gemacht hat, in letzter Zeit: Als Erstes hat sie den „Luft-100ter“ gekippt. Das bedeutet zwar schlechtere Luft für alle, und, ach ja, mehr Verkehrstote, aber 130 hat halt auch seinen Preis. Und sonst? Sonst hat sie zum Beispiel dem Naturschutzbund die Landesförderung von jährlich 14.000 auf 10.000 Euro gekürzt. Verständlich, weil da sitzen ja schon wieder lauter so Experten. Der Vorsitzende vom Naturschutzbund, Winfrid Herbst, hat offenbar schon einen recht lieblosen Anruf von Marlenes Türsteher, dem Herrn Dom, bekommen, in dem der junge Herr dem älteren Herrn den Rausschmiss aus dem Klub der geförderten Vereine angedroht haben soll. Weil der Herr Doktor die Fördergeldkürzung bei gleichzeitiger Erhöhung von Marlenes Gehalt um 4,85 % nicht so gut fand. Das Letztere fand übrigens der Herbert auch nicht so gut.

Plötzlich auch Wildbiologin

Apropos mehr Tote: Da will es Marlene, die plötzlich auch Wildbiologin ist, genau wissen: Zunächst ging es problematischen Wölfen an den Pelz. Die möchte Marlene gern „erziehen“, allerdings mit recht unsanften Erziehungsmethoden, nämlich mit Verordnungen zu deren Tötung. Das ist zwar EU-rechtswidrig, aber das findet Marlene nicht so schlimm. Schon schlimm, aber vor allem sinnlos, finden das, oje, hier sind sie schon wieder, die Experten. Denn Österreich sei von Tausenden Wölfen umgeben, die immer wieder durch österreichische Lande ziehen und ungeschützte Schafe reißen würden. Nun, das gewährleistet dann zumindest, dass Marlene bald wieder auf den nächsten unerzogenen Wolf schießen lassen darf. Ein Pech für die Schafe und ihre Besitzer. Rabenschwarze Zeiten kommen auch auf Krähenvögel, also auf Eichelhäher, Elstern und Raben zu. Auch hier erzieht Marlene mit strenger Hand, nämlich wieder mit Abschussverordnung. Diesmal zum Wohle „der Biodiversität und der Ernährungssicherheit“, wie Marlene weiß. Das stell ich mir ein wenig herausfordernd vor, wie ich das meinen Kindern erklären soll, wenn wir das nächste Mal die Eichelhäher bei uns im Garten beobachten: „Die müssen leider erschossen werden, damit wir alle genug zu essen haben und damit die Natur schön divers bleibt.“

Was kommt nach dem Anfang

Wir können also feststellen, ­Marlene ist echt authentisch – denn sie ist heute als Salzburger Naturchefin genau dieselbe wie damals in der Opposition. Nur hat sie jetzt viel mehr Macht. Gut für Marlene, nicht so gut für die Natur. Bei Facebook gibt es ein Bild mit Marlene und einem Plakat „Und das ist erst der Anfang“, bezogen auf das Aus für den Luft-100er und das Abschießen der Wölfe. Und was kommt nach dem Anfang? Gratis Glyphosat für Biobauern? Begradigen von naturbelassenen Flussläufen, damit das Wasser schneller fließen kann? Singvögelbejagung für besseren Handyempfang?

Und was denkt bei alledem eigentlich der Landeshauptmann? Ich glaube ja, es geht ihm ein bisschen wie Goethes Zauberlehrling: „Die ich rief, die Geister – werd’ ich nun nicht los.“ Tja. Hier noch ein schönes Zitat der neuen Salzburger Naturchefin: „Ein klimaneutrales Salzburg rettet nicht die Welt.“ Genau! Ich halte es da lieber mit Max Liebermann, der einmal gesagt haben soll: „Ach Jott, man kann nich halb so viel essen, wie man kotzen möchte.“ In diesem Sinne, Marlene: „Feuer frei!“

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Autor

Michael Ghawidel-Menzel (*1973, geboren in Salzburg). Zunächst Studium der Rechtswissenschaften an der Paris-Lodron-Universität, danach Schauspielstudium in Wien. Arbeitet als Schauspieler für TV und als selbstständiger Sprecher. Er lebt und genießt es mit seiner Familie im Salzburger Tennengau. Dort gibt es übrigens den besten Vogelbeerschnaps.  

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