Replik

Sicherheitsstrategie in der politischen Sackgasse

Dass offenbar aus ÖVP-geführten Ministerien Teile des Entwurfs des administrativen Sicherheitspapiers an die Medien Teile gespielt wurden, ist eine Enttäuschung.

Die Sicherheitslage in Europa hat sich spätestens seit Ausbruch des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine fundamental geändert. Die Mehrzahl der Staaten hat bereits ihre strategischen Dokumente zum Schutz der Souveränität und ihrer Bürgerinnen und Bürger an die neue Realität angepasst. Auch das neutrale Österreich war gezwungen, sich dieser neuen Realität bewusst zu stellen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Eine zentrale Erkenntnis war, dass die aus dem Jahr 2013 stammende „Österreichische Sicherheitsstrategie“ (ÖSS) grundlegend überarbeitet werden müsse. Globale Krisen und geopolitische Konflikte beeinträchtigen die Sicherheit in unserem Land.

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Demokratiepolitisches Foul!

Nicht nur die militärische Bedrohungslage, sondern auch Unwägbarkeiten im Inneren haben sich in den vergangenen zehn Jahren grundlegend verändert. Mithilfe von Expertinnen und Experten wurde die Veränderung der Sicherheitslage analysiert, und so wurde bereits nach dem terroristischen Anschlag in Wien 2020 eine moderne Sicherheitsarchitektur gefordert. Um die Bevölkerung besser schützen zu können, blieb die Hand der SPÖ für parlamentarische Zusammenarbeit stets ausgestreckt. Teilelemente des SPÖ-Modells, wie das gesamtstaatliche Terrorismusabwehrzentrum, wurden 2023 endlich von der Regierung berücksichtigt. Auch war es die SPÖ, die im Februar 2023 den Entschließungsantrag für die Überarbeitung der Sicherheitsstrategie im Nationalrat einbrachte. Daraufhin gab die Regierung im April 2023 bekannt, bis Jahresende 2023 eine gesamtstaatliche Strategie zu beschließen und diese dem parlamentarischen Prozess zuzuführen. Auch dies sah die SPÖ als Chance für Österreich, nicht als eigenen parteipolitischen Gewinn an. Nach wie vor sind wir davon zutiefst überzeugt, dass Sicherheit für unser Land auf eine breite politische und gesellschaftliche Basis gestellt werden muss. Ein überparteilicher Schulterschluss schien uns im Bereich des Möglichen.

Doch aus einer gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Sicherheitsstrategie dürfte bis dato bloß ein ziemlich ambitionsloses bürokratisches Dokument geworden sein. Und selbst auf dieses können sich die Koalitionsparteien seit Monaten nicht einigen. Nun wurden offenbar aus ÖVP-geführten Ministerien Teile des administrativen Papiers an die Medien gespielt („Österreich will stärker mit Nato kooperieren“, „Die Presse“, 8. 3.). Ein demokratiepolitisches Foul! All jene, die sich von der Regierung einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Schutz unseres Landes vor Bedrohungen wünschen, wurden wieder einmal herb enttäuscht.

Weder wurden die gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter im Nationalrat noch die Expertinnen und Experten, die an der Erstellung des Dokuments sieben Monate mitgewirkt haben, über die tatsächlichen Inhalte der neuen Strategie in Kenntnis gesetzt. Dieses Vorgehen stellt einen weiteren Vertrauensbruch zum Schaden einer von allen politischen Kräften des Landes getragenen Sicherheitspolitik Österreichs dar. Die Regierungsparteien haben mit ihrem Vorgehen nicht nur den Vertrauensvorschuss der Oppositionsparteien missbraucht. Auch werden damit Hoffnungen enttäuscht, wonach in Zeiten fundamentaler Umbrüche strategische Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung Vorrang vor Parteitaktik haben muss. Die ausgestreckte Hand der SPÖ wurde, wie schon beim Krisensicherheitsgesetz oder der Luftverteidigung – Stichwort: Sky-Shield –, erneut abgeschlagen. Wir befinden uns in einer sicherheitsstrategischen Sackgasse. Keine guten Voraussetzungen für einen parteienübergreifenden Konsens in der zentralen Frage von Österreichs umfassender Sicherheit.

Robert Laimer ist Nationalratsabgeordneter und Wehrsprecher der SPÖ.

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(Printausgabe 14.3.2024)

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