Biologie

Mutterschutz vor egoistischen Genen

Das Team um Alejandro Burgas am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW fand Anhaltspunkte, wie die gezielte Unterdrückung der Expression von väterlich oder mütterlich vererbten Genkopien abläuft.
Das Team um Alejandro Burgas am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW fand Anhaltspunkte, wie die gezielte Unterdrückung der Expression von väterlich oder mütterlich vererbten Genkopien abläuft.Clemens Fabry
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Eine Gruppe am Wiener Biocenter ist der evolutionären Entwicklung auf der Spur: Wie sind genetische Abwehrmechanismen gegen körperfremde DNA entstanden? Die Antwort steckt im Fadenwurm.

Unser Körper ist ständig auf der Hut vor Angreifern. Bakterien wollen es sich bequem machen, genauso wie Viren, die unsere Zellen äußerst effektiv besiedeln können. Gegen diese Angriffe schützt uns das Immunsystem, das körperfremde Organismen aufspürt und sie eliminiert. Daneben gibt es in jeder unserer Zellen noch ein unbekannteres, aber viel älteres Verteidigungssystem: die RNA-Interferenz.

Unterdrückung des Elternteils

Viren schleusen ihr Erbgut in unsere Zellen, um sich so selbst zu vermehren. Die RNA-Interferenz erkennt das Erbgut als fremd und baut es ab: Das Virus wird eliminiert. Kann sich die fremde DNA trotzdem in unser Erbgut einschleusen, wird sie von der Zelle chemisch markiert (Methylgruppen angeheftet) und so stillgelegt. Die Gruppe um Alejandro Burgas am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der ÖAW am Vienna Biocenter hat neue Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Mechanismus auch zur Entwicklung eines weiteren genetischen Phänomens führte: die gezielte Unterdrückung der Expression von väterlich oder mütterlich vererbten Genkopien.

Der als „genomische Prägung“ bekannte Effekt führt dazu, dass bei geprägten („imprinted“) Genen ausschließlich die väterliche oder mütterliche Version aktiv ist und nicht wie üblich beide Genkopien zu gleichen Teilen. Das ist häufig bei Genen der Fall, die einem Elternteil einen Vorteil verschaffen, also „egoistisch“ sind, so z. B. Wachstumsfaktoren, die das Embryonalwachstum ankurbeln. Das ist gut für den Vater, dessen Nachkommen schnell kräftiger werden, jedoch potenziell gefährlich für die strapazierte Mutter. Und so werden manche Wachstumsfaktoren nur von väterlicher Seite aktiv vererbt, das mütterliche Gen ist inaktiv.

Erklärt wurde dieser Effekt übrigens erstmals in Österreich: Denise Barlow entdeckte 1991 am Wiener Institut für Molekulare Pathologie das erste geprägte Gen in Säugetieren. Das Team von Alejandro Burga bemerkte nun einen ähnlichen Effekt im Fadenwurm Caenorhabditis tropicalis, ein Modellorganismus für genetische Forschung. „Bisher dachte man, es gibt keine elterliche genomische Prägung im Wurm“, erklärt Burga. „Aber dann fanden wir ein Gen, das ganz eindeutig unterschiedlich vererbt wurde. Da war klar, dem müssen wir auf den Grund gehen.“

Ursache war ein Mechanismus ähnlich der Virenabwehr im Menschen. Das väterlich vererbte Gen wurde inaktiviert, weil es als fremd erkannt wurde. Die mütterliche Version blieb allerdings aktiv. Erklärt wird das Phänomen durch einen genetischen Trick der Mutter. In der mütterlichen Eizelle des Wurms wird eine RNA-Kopie des Gens hinterlegt und schützt die vererbte Genkopie vor der Stilllegung.

Genkopie auf Reserve

„Diese RNA ist sozusagen die Lizenz zum Verwenden dieses Gens“, sagt Burga. Es scheint, dass auch im Wurm die Abwehrmechanismen der Zelle zur elterlichen Prägung verwendet werden und dort wohl auch ihren evolutionären Ursprung haben. Mit ihrer Studie, kürzlich veröffentlicht im Fachjournal Nature, schließen Burga und sein Team damit an die historische Entdeckung der genomischen Prägung am selben Campus an: „Es ist fantastisch, dass wir mit unserer Arbeit Fragen, die sich Wissenschaftler hier schon vor 20 Jahren gestellt haben, jetzt ein wenig besser beantworten können.“

In Zahlen

20.000 Gene gibt es circa im menschlichen Erbgut.

262 Gene davon sind von einem Elternteil geprägt. In geprägten Genen ist entweder die von der Mutter oder die vom Vater stammende Version aktiv.

33 Jahre ist es her, dass Denise P. Barlow in Wien das erste geprägte Gen in Säugetieren entdeckte.

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