Culture Clash

Von mittlerer Stärke

Sinn- und kraftvoll ist das Christentum nur, wenn es die Auferstehung als Tatsache bekennt. Was hat das mit Helnwein und dem Stephansdom zu tun?

Peter Handke hat einmal eine kurze, ironisierende „Lebensbeschreibung“ von Jesus Christus verfasst: „Aus der Langeweile der Massen gewann er einigen Zulauf“, heißt es dort. „Unbeschadet seines ein wenig großsprecherischen Wesens war er im Grunde harmlos.“ Immerhin hätten einige diesen Gott „für besser als gar nichts“ gehalten. „Nach einem nicht ganz einwandfreien Verfahren“ wurde er „ans Kreuz gehängt“.

Der Schluss: „Um drei Uhr am Nachmittag, bei sonnigem Wetter, gab er den Geist auf. Zur gleichen Zeit wurde in Jerusalem ein Erdbeben von mittlerer Stärke verzeichnet. Es ereigneten sich geringe Sachschäden.“

Handkes Text gibt treffsicher den schon 2000 Jahre lang wirkenden Impuls wieder, das Geschehen zu entkräften, aus dem das Christentum entstanden ist. Ein Impuls, der auch bei Christen selbst beobachtbar ist. Julien Green schrieb in seinem nun 100 Jahre alten „Pamphlet gegen die Katholiken Frankreichs“ etwa: „Sie beten ihre Gebete, in denen jedes Wort doch von größter Bedeutung ist, und sie beten sie so, als ob es in diesen Gebeten um irgendwen anderen ginge, um das Leben von irgendwem anderen, um das Heil von irgendwem anderen; man könnte sagen, sie glauben, dass der Katholizismus für die anderen gegründet wurde, und wenn sie selber dazugehören, dann aus Zufall oder Spiel.“

Es ist eigentlich klar: Ist es eine Tatsache, dass Christus Sohn Gottes und auferstanden ist, dann ist Ostern eine kosmische Explosion, deren Druckwellen in allen Zeiten und Räumen zu spüren ist und die Fesseln des Todes, der Schuld und der Ohnmacht gesprengt hat. Ist aber alles nur Legende, dann wäre es konsequent und ehrlich, das zu tun, was Tolkien genannt hat: „dem Herrn ins Gesicht zu sagen, dass er ein Betrüger ist“. Die sanftere Kompromissformel von der christlichen Überlieferung als einer wertvollen Allegorie, die uns über Mensch, Leben und Welt viel zu sagen hat, mag populär sein – hat aber, ohne den wahrhaft Auferstandenen unverbindlich geworden, kaum Tragkraft. Eine Enttäuschung gerade für die, die nicht glauben, aber sich nach Gott ausstrecken, der nicht bloß „besser als gar nichts“, sondern alles ist.

Vielleicht war das ja das eigentliche Problem des vom Wiener Dom abgelehnten Gottfried-Helnwein-Altarbildes für die Osterzeit: dass es in der allegorischen Darstellung eines Kindes mit Wundmalen zwar zur Reflexion über Unschuld, Gewalt, Macht usw. eingeladen, aber vom alles verändernden kosmischen Ereignis der Erlösung wenig erzählt hätte. Und damit doch hinter Ostern weit zurückgeblieben wäre.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

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