Gastkommentar

Ist die KI nun ein Jobkiller oder nicht?

(c) Peter Kufner
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Durch die rasante KI-Entwicklung geraten manche in so etwas wie einen Rausch, andere fühlen sich abgehängt. Was können und was müssen Unternehmen genau jetzt tun?

Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, gründlich auf den Kopf stellen. Das ist seit dem Durchbruch von Chat GPT Ende 2022/Anfang 2023 offensichtlich. Seither fragen sich viele: Ist die Angst vor der KI als Jobkiller berechtigt oder überwiegen doch die Chancen? Die KI selbst will und kann das nicht entscheiden. Gesetzgeber, Bildungsinstitutionen, Unternehmen und Beschäftigte stehen unter Druck: Was ist zu tun, wenn die technische Entwicklung immer einen Schritt voraus ist?

Gleichzeitig wird das Potenzial der KI in der Arbeitswelt viel zu wenig genutzt.

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Die Digitalisierung steckt in vielen Bereichen noch in den Kinderschuhen. Während die öffentliche Verwaltung und große Konzerne gut aufgestellt sind, hinken kleine und mittelständische Unternehmen hinterher. Auch wenn KI-Events boomen und der KI-Hype ungebrochen ist, fühlen sich viele abgehängt. Das trifft insbesondere auf Beschäftigte zu.

Als Arbeitsexpertin und Unternehmensberaterin bin ich regelmäßig in Betrieben unterwegs. Für ein aktuelles Projekt meines Zukunftslabors der Arbeit in Wien beobachte ich, wo und in welcher Form KI in unserer Arbeitswelt heute eine Rolle spielt. In meinen Gesprächen mit Beschäftigten und Unternehmen sind viele Sorgen und Ängste spürbar. Internationale Studien unterstreichen, dass vor allem Menschen in Berufen mit niedrigerem Qualifikationsniveau fürchten, dass die KI zu einer Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für sie wird – eine ­billigere und schnellere „Arbeitskraft“, die ihre Existenzgrundlage ge­fährdet.

Digitale Tour de Force

Dabei ist die große Angst unbegründet. Schon seit Microsoft-Programme wie Word, Outlook und Powerpoint mit einem KI-Assistenten ausgestattet sind, gehört die künstliche Intelligenz zu unserem Büroalltag. Die (oft männlichen) Führungsetagen erwarten heute von Beschäftigten, sich selbst mit digitalen Arbeitsmitteln auseinanderzusetzen, sonst werden sie als nervige Blockierer wahrgenommen. Sie haben kein Verständnis dafür, dass im stressiger werdenden Arbeitsalltag die Zeit fehlt, sich in Ruhe mit den vielen Möglichkeiten der digitalen Welt im Arbeitsleben auseinandersetzen.

Gefahr der KI-Lücke

Denn die Technik-Affinen nutzen die KI bereits ohne Probleme, experimentieren und lassen sich nervige Arbeit abnehmen: Texten, Planen, usw. Viele andere aber wollen sich damit erst gar nicht beschäftigen, andere kommen nicht mehr mit. Sind die Beschäftigten selbst schuld, wenn sie überfordert oder desinteressiert sind? Nein – es ist die Verantwortung der Unternehmen, ihre Mitarbeitenden im Rahmen der Digitalisierung zu unterstützen.

In modernen Unternehmen wird oft die Teamkultur beschworen, doch so gerät sie stark unter Druck: Menschen, die sich abgehängt fühlen, ziehen sich zurück, in eine innere Kündigung. Das Zugehörigkeitsgefühl ist in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen schon morgen der eigene Arbeitgeber Hunderte von Mitarbeitende abbauen könnte, bereits stark geschwächt. Doch das Engagement und die Zufriedenheit der Menschen sind wichtige Faktoren für die Produktivität.

Keine Allzwecklösung

Klar ist: Es gibt keine Standardlösung für alle. Aktuell lässt sich beobachten, dass Betriebe unterschiedliche Wege gehen, mit dem KI-Fortschritt umzugehen. Es wird sich erst zeigen, wer womit und wie erfolgreich sein wird. Ein gutes Beispiel ist die APA, die als größte Nachrichtenagentur in Österreich mit der Redaktion einen Leitfaden für die KI-Nutzung entwickelt hat. Dabei ist es wichtig, die Beschäftigten einzubinden. Denn nur wer auf ein partizipatives Vorgehen setzt, kann davon ausgehen, dass diese Regeln auch gelebt werden.

Eine neue Haltung ist gefragt

Die vergangenen Jahre haben eine erfreuliche Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gezeigt: Immer mehr Unternehmen bemühen sich um ihre Mitarbeitenden und wollen als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden, um Personal zu gewinnen und zu halten. Employer Branding, New Work, Partizipation und Unternehmenskultur wurden zu beliebten Schlagworten. Betriebe setzen auf die betriebliche Gesundheitsvorsorge und Weiterbildung in digitalen Kompetenzen – und liegen dabei goldrichtig. Denn das Fördern des Wohlbefindens, der (psychischen) Gesundheit und der Qualifizierung sind wichtige Hebel, um die Zukunft nachhaltiger zu gestalten.

Niederschwellige Informationskampagnen und Schulungen helfen dabei, das Bewusstsein bei den Mitarbeitenden fördern, wie KI die Arbeitswelt verändern wird und welche Fähigkeiten im Umgang mit der KI notwendig sind. Dazu zählen kritisches Denken, Vorstellungskraft und Schreib- und Lesekompetenz. Die Nutzung von KI-An­wendungen wie Chat GPT erfordert zu „prompten“, also die richtigen Anweisungen zu schreiben, um die gewünschten Ergebnisse zu er­halten.

Sichere Räume benötigen die Beschäftigten, um im eigenen Tempo, allein und gemeinsam im Team niederschwellig den Umgang mit KI zu erlernen. Das erfordert Zeit und eine neue Fehlerkultur: Neue Wege zu gehen bedeutet nämlich, Fehler zu machen und daraus zu lernen. Leider ist diese Kultur in vielen Bereichen noch wenig ausgeprägt. Oft heißt es: „Das haben wir schon immer so gemacht!“ Wer scheitert, ist oft selbst schuld. Doch in Zeiten der rasanten Veränderungen gibt es keine erprobten Rezepte mehr.

Buddy-Programme können dabei helfen, dass KI-Begeisterte in Tandems ihr Wissen weitergeben. Das fördert den sozialen Zusammenhalt im Unternehmen und verhindert, dass sich die Abgehängten in das genannte „Quiet Quitting“ zurückziehen. Wer engagierte Mitarbeitende im Betrieb halten will, muss hier investieren und den Fokus darauf richten.

Aufgabe der Führungskräfte

Führungskräfte müssen einerseits lernen, KI sinnvoll zu nutzen – und andererseits müssen sie identifizieren, wer im Team welchen Bedarf zur individuellen Weiterentwicklung benötigt und wie der Team­spirit erhalten bleibt. Das erfordert viel soziale Kompetenz, Empathie und Einfühlungsvermögen. Gute Chefs und Chefinnen nehmen die Ängste und Überforderungen der Mitarbeitenden ernst. Sie achten darauf, dass niemand zurückgelassen wird.

Abschließend sollten wir uns eine grundlegende Zukunftsfrage stellen: Wie kann die künstliche Intelligenz zu einer fairen und nachhaltigen Arbeitswelt beitragen? Dafür ist das Konzept des „Digitalen Humanismus“ ein zentraler Baustein: Die technische Entwicklung muss den Menschen dienen und nicht umgekehrt.

KI-Forschende, Unternehmen und politische Entscheidungstragende sind gefragt, sich in ihrem Tun daran zu orientieren und darauf zu achten, dass die Menschen nicht unter dem Effizienzdruck zerbrechen – oder gar selbst zu Maschinen gemacht werden.

E-Mails senden Sie bitte an: debatte@diepresse.com

Die Autorin

Beigestellt

Lena Marie Glaser (*1984), Juristin, Autorin. Sie erforscht in ihrem Zukunftslabor der Arbeit, basicallyinnovative.com, in Wien die Transformation der Arbeitswelt. Sie berät Wirtschaft und Politik, ist Gastdozentin und schult Führungskräfte. Ihr neues Buch heißt „Künstliche Konkurrenz – KI als Jobkiller und Chance“. Zuletzt erschien „Arbeit auf Augenhöhe“ (2022).

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