Gastkommentar

Erodiert die politische Mitte?

Die politische Mitte wandert nach links und rechts – ein Alarmzeichen besonders für die ÖVP.

Die Wahlergebnisse in bürgerlichen Sprengeln der Stadt Salzburg lassen aufhorchen: Die KPÖ hat besonders bei bürgerlichen und einkommensstarken Wählerinnen und Wählern (ähnlich wie in Graz 2022) gepunktet. Umgelegt auf bundesweite Umfragen zur Nationalratswahl muss das ein Alarmsignal für alle Mitte-Parteien sein, besonders für die Volkspartei: Gerade als sich die ÖVP als Partei der Mitte positioniert, scheint genau diese Mitte zu erodieren. Die Babler-SPÖ ist davon weniger betroffen, weil sie ohnehin auf einen linken Kern zusammengeschmolzen scheint.

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Dass die ÖVP der Erosion der Mitte strategisch besonders ausgesetzt ist, hat zwei Gründe: Zum einen liegt das in der internen Verfasstheit der Volkspartei. Dabei stehen sich zwei etwa gleich große Lager gegenüber: das christlich-soziale Lager, das großkoalitionär denkt, und das Mitte-rechts-Lager, das liberal und freiheitlich orientiert ist. Dazu kommen Wirtschaftsbund und Bauernbund, denen es als Inter­essensvertreter in Kammer-Exe­ku­tiven ziemlich egal ist, mit wem sie in einer Regierung sitzen – Hauptsache Regierung.

Warum jetzt die Abwanderungen? Weil die ÖVP viele Stimmen für einen Mitte-rechts-Kurs ­gewinnen konnte und die Positionierung „Mitte“ viele Mitte-rechts-Wähler:innen verunsichert. Das klingt nach Linksruck, und das Liebäugeln mancher in der ÖVP mit einer linken Anti-FPÖ-Koalition verstärkt die Abwanderung. Für viele christlich-soziale Abwanderer ist eine FPÖ unwählbar – diese Stimmen gehen dann eben zu anderen, für sie besser „wählbaren“ Protestparteien. Die Positionierung „Mitte“ ist grundsätzlich für die ÖVP herausfordernd, weil erklärungsbedürftig. Die Umschreibung mit „vernünftig“ oder „normale“ Politik in Abgrenzung zur Wokeness-Kultur wären besser geeignete Bilder, weil sie weniger missverständlich sind.

Der andere Grund für die Erosion der Mitte liegt im allgemeinen Zustand der Politik. Die Menschen haben genug von den ewig gleichen Stehsätzen und vom Politik-Theater in U-Ausschüssen. Das allgemeine Krisengerede über die „weltweit schweren Zeiten“ hilft nicht beim Bewältigen der Alltagssorgen. Die hysterische Dauererregung mancher Parteien und Medien gegen „Rechts-Extreme“ (wer auch immer das in Österreich ist), die Volkspartei oder den Klimawandel wirkt abstumpfend und ermüdend. Dazu kommt ein wachsendes Misstrauen gegen die Justiz, deren Maßnahmen und Urteile immer öfter unausgewogen erscheinen.

Ein Hoffnungsprogramm!

Eine alte Wahlkampf-Regel lautet: Für eine Bilanz wird man nicht gewählt. Man wird für Hoffnung und Zukunft gewählt. Ohne Hoffnung helfen die Verweise der Bundesregierung auf Abschaffung der kalten Progression und andere erfolgreiche Maßnahmen nicht (mehr): Es geht um eine Zukunftsvision, glaubwürdige Persönlichkeiten und die Kanzlerfrage. Dass es eine Mehrheit für eine Mitte-rechts-Regierung in Österreich gibt, scheinen manche zu vergessen, wenn die FPÖ als Hauptgegner ausgemacht wird.

Wie kommt man da raus? Mit einem radikalen bürgerlichen Hoffnungsprogramm, das Recht, Ordnung und Justiz behandelt, das straffällige Ausländer konsequent abschiebt, das Wohlstand und Eigentum verteidigt und das dank Vernunft eine Aussöhnung von Klimaschutz und Wirtschaftswachstum schafft. Der „Österreichplan“ von Karl Nehammer ist ein gutes Fundament, aber noch keine ausreichend knackige Vision für Österreich.

Und mit Personen, die Klartext sprechen. Mit einer klaren Kanzleransage – eine bloße Anti-FPÖ-Position wird auf Dauer nicht reichen.

Mag. Markus Keschmann (*1972) ist langjähriger politischer Kampagnen-Manager und war rund 20 Jahre für die ÖVP tätig.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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