Zeitgeschichte

Juan Péron holte sich auch österreichische NS-Forscher in das Land

Juan Péron feierte die Erfolge seiner Rüstungsforschung gern öffentlichkeitswirksam (im Bild mit seiner Frau Eva bei einer Zeremonie für zehn neue Flugzeuge). Anteil daran hatten auch Nazi-Forscher aus Österreich.
Juan Péron feierte die Erfolge seiner Rüstungsforschung gern öffentlichkeitswirksam (im Bild mit seiner Frau Eva bei einer Zeremonie für zehn neue Flugzeuge). Anteil daran hatten auch Nazi-Forscher aus Österreich.Keystone/Getty Images
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Nach dem Zweiten Weltkrieg rekrutierte Argentinien Nazis mit Technikexpertise. Auch in Österreich.

Frauen. Immer wieder sei sie auf Frauen gestoßen, die Nazis nach 1945 unterstützt haben, in das Ausland zu flüchten, erzählt die Zeithistorikerin Linda Erker von der Uni Wien. „Die Rolle von Frauen in der Fluchthilfe wurde lang unterschätzt.“ Erst von der Geheimpolizei, dann von der Forschung. Einer, der von weiblicher Vernetzung profitiert hat, war der NSDAP-Politiker und Chemiker Armin Dadieu (1901–1978). Seit vier Jahren untersucht Erker österreichische Wissenschaftsmigration nach Lateinamerika im 20. Jahrhundert, unter anderem anhand von Dadieus Biografie.

Um sich der juristischen Ahndung nach Kriegsende zu entziehen, versteckte dieser sich anfangs bei einer Freundin in den Bergen, in der Folge kümmerten sich Frau und Tochter um seine Rückkehr nach Graz. Dank der Vermittlung seiner ehemaligen Geliebten gelang dem Chemiker schließlich 1948 die Flucht über Italien nach Argentinien – ein Weg, den Erker ausgehend von seinem Nachlass herausgearbeitet hat. Dass der Plan klappte und Dadieu wieder als Wissenschaftler Fuß fassen konnte, ist letztlich Unterstützern aus dem Kreis von Juan Péron zuzuschreiben.

„Damals wurde eine regelrechte ,Jagd‘ auf Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich betrieben, vor allem vonseiten der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion“, sagt Erker. „Argentiniens neuer Präsident wollte sich da ebenfalls positionieren, auch angesichts einer großen Entlassungswelle an den eigenen Unis.“ Dieser waren rund 1250 akademische Angestellte, die dem System Péron kritisch gegenüberstanden, zum Opfer gefallen. Man brauchte schlichtweg kompetentes Personal.

Neue Wissenschaftssöldner

Mit der wissenschaftlichen Expertise aus Europa wollte Péron sein Land modernisieren – das hieß für ihn allem voran: Investitionen in die Rüstungsindustrie, den Flugzeug- und Raketenbau. Bei der Rekrutierung sei er nicht zimperlich gewesen, betont Erker, ob Nazi-Vergangenheit oder nicht, das habe den General wenig interessiert. Im Gegenteil. Seine Helfer halfen untergetauchten NS-Forschern aktiv bei ihrer Flucht. Und so landete auch Dadieu in einer von drei deutschsprachigen Rüstungsforschungsgruppen im Land und avancierte sogar zum Regierungsberater für Raketentreibstoffe.

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