Was möglich ist, wenn man ein schönes Budget und keine Angst um den Wiederverkaufswert hat.
Käufer und Bauherren von Luxusimmobilien neigen zu eher konservativen als spektakulären Entscheidungen. Was auf der einen Seite verständlich ist, denn wer statt eines Eigenheims ein Immobilienportfolio besitzt, hat auch den potenziellen Wiederverkaufswert im Sinn – und der kann durchaus sinken, wenn die Zielgruppe schrumpft. Denn die Lüftlmalerei zwischen den griechischen Säulen um den Indoorpool mag einst einen stolzen Preis gekostet haben, für einen Großteil potenzieller Käufer kommt sie aber als Kostenfaktor auf die „Das kommt weg“-Liste.
Aber dann gibt es Projekte, die sehr ausgefallen sind und bei einem Wiederverkauf wohl nur eine winzig kleine Zielgruppe ansprechen würden. Aber auch so außergewöhnlich und spannend, dass man sich wünscht, ein Bauherr mit robustem Budget würde eines dieser Projekte Wirklichkeit werden lassen. Das dann vielleicht gar nie einen Käufer braucht, weil weder er selbst noch die Erben es wieder hergeben wollen. Zwei Beispiele solcher architektonischen Entwürfe, die auf Umsetzung warten.
Hommage an den Brutalismus
Eine „poetische Hommage an den reinen Brutalismus“ nennt Laertis Antonios Ando Vassiloou, Inhaber der niederländischen LAAV Architects seine Konzeptstudie „Casa Brutale“. Sie stellt die klassischen Vorstellungen vom Haus am Meer buchstäblich auf den Kopf. Denn statt auf einer Klippe zu thronen, ist es in den Felsen hineingebaut. Nur wer sich dem Haus vom Wasser her nähert, kann die ganze Dimension erkennen. Auf dem Landweg passiert man lediglich einen scheinbar unmotiviert in der Landschaft liegenden Pool, eine Stiege, die hinabführt – und vielleicht ein geparktes Auto. Denn hier ist der Pool das Dach, durch dessen gläsernen Boden das Licht in die darunter liegenden Wohnräume gelangt, und dort für spannende Reflektionen sorgt.
50 Stufen geht es neben dem Pool hinab zu dem Gebäude im Untergrund, dessen Meerseite durch die gläserne Fassade über die ganze Höhe und Breite zum Meer mehr Licht in das Gebäude fließen lässt. Und direkt nach dem Öffnen der massiven Holztür am Ende der Stiege wartet ein großes Panorama, auf dem außer Himmel und Meer nichts zu sehen ist. Und auch sonst lenkt nichts von diesem Anblick ab: Im Inneren dominiert grober Sichtbeton – der Name Casa Brutale will schließlich verdient sein. Selbst der Esstisch, die Unterteile des Betts und der Loungemöbel bestehen aus dem Lieblingsmaterial der Brutalisten. Warmes Holz, weiße Polster und Futons sowie weiße Eames-Stühle am Essplatz sorgen in Kombination mit ein paar ausgewählten sanften Kurven dafür, dass es nicht gar zu brutal wirkt. Vom Wohn-Ess-Bereich mit offener Küche führt eine offene Stiege hinauf zum Schlafloft mit dahinter im Felsen liegendem Bad und Schrankraum. Außerdem gibt es auf der unteren Ebene noch ein Gästezimmer mit einem gläsernen Eckelement und eigenen Bad sowie Wirtschaftsräume.
Altholz und massiver Beton
Technisch ruht das ganze Gebäude – auch ein unterirdisches Bauwerk ist ein Gebäude – auf drei massiven Betonplatten mit Aussparungen für alle nötigen Installationen. Der Pool besteht aus verstärktem Glas, die Glaselemente der Fassade sind mit schwarzen Stahlelementen eingefasst. Altholzelemente in Braun- und Rottönen sorgen für einen Hauch von Wärme im coolen Brutalismus.
Auch der Hamburger Architekt Hadi Teherani – der jüngst für seinen Umbau des Krallerhofs in Leogang mit dem Mipim-Award ausgezeichnet wurde – ist für eine spektakuläre Bauidee unter die Erde gegangen und setzt dabei auf Wasserreflektionen, um das Licht von der Oberfläche in die Räume zu bringen.
Windtürme neu gedacht
Als Inspiration diente dem persisch-stämmigen Architekten dabei die Typologie des Hofhauses in der Architekturtradition des Iran, wo Häuser bei extremer Hitze in den Boden gebaut werden. Ausgestattet sind die Entwürfe mit wenigstens einem traditionellen Badgir, einem Windturm mit mindestens zwei vertikalen Kanälen, der in der persischen Architektur seit Jahrhunderten für natürliche Lüftung von Gebäuden genutzt wird. Eine Kombination aus Lowtech und Tradition, mit der Teherani seine Philosophie – „ein Haus muss atmen können, nicht nur die Architektur, sondern auch die Idee der Konzeption“ – in sein „Wohnparadies im Erdreich“, das Konzept „H.O.M.E. Haus 2022“, einfließen ließ.
Fünf Meter hohe Räume und 1200 Quadratmeter Wohnfläche sorgen für luftige Atmosphäre unter der Erde, in die durch vorgelagerte Freiflächen und große Fensterfronten Licht von oben gelangt. Überirdisch sind von Weitem nur der modern interpretierte Badgir und Teile der Terrasse zu sehen, wie Skulpturen in der Landschaft – welche ganz unterschiedlich aussehen können, denn das Konzept wurde von den Architekten so entwickelt, dass es nicht nur in Wüsten funktioniert, sondern auch in den Alpen oder an besonderen Orten wie Venedig. Weitere Einsatzmöglichkeiten nicht ausgeschlossen – inklusive der Idee, dass das Haus eines Tages schwimmen kann.
Sprachlabor
Woher: Der persische Begriff Badgir (auf Deutsch: Windfänger) bezeichnet einen Windturm, ein traditionelles persisches Architekturelement, das für die Belüftung von Gebäuden verwendet wird.
Wann: Die ältesten bekannten Windfänger im Iran stammen aus dem 14. Jahrhundert.
Wieso: Die Höhe des Turms fördert den Kamineffekt, wodurch frische Luft besser einströmen kann und der Wind effektiver wirkt. Durch die Nutzung der natürlichen Luftbewegung, können Gebäude ohne den Einsatz von elektrischer Energie gekühlt werden. Außerdem ermöglichen sie in dicht bebauten Gebieten eine flexible Gebäudeausrichtung, um direktes Sonnenlicht zu minimieren und die Innentemperaturen niedrig zu halten.