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Marlene Engelhorn weiß, wie man im Gespräch bleibt.
Marlene Engelhorn weiß, wie man im Gespräch bleibt.Reuters / Lisa Leutner
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Wie man sich selbst vermarktet. Spoiler: Der Inhalt ist nebensächlich.

Einen wunderschönen guten Morgen!

Heute geht es um die Selbstvermarktung. Dazu könnte ich auf die unzähligen Angebote im Internet verweisen, die grosso modo ein und dieselbe Binsenweisheit verbreiten: „Mit Selbstbewusstsein, Präsentationsstärke und Kommunikationsfähigkeiten kannst du dich gut selbst darstellen.“ Eh. Ich könnte aber auch – und das mache ich hiermit – auf ein praktisches Beispiel, nämlich auf das große Eigenmarketinggenie Marlene Engelhorn verweisen.

Damit mich hier niemand falsch versteht: Ich finde es durchaus löblich, dass die 32-Jährige den Großteil ihres Millionenerbes verschenken möchte. Und ich verstehe auch durchaus, dass Frau Engelhorn damit eine Message unters gemeine Volk bringen möchte: nämlich die Forderung nach einer Vermögens- und einer Erbschaftssteuer. Anliegen dieser Art gibt es ja zuhauf, da muss man schon etwas Besonderes bieten, um gehört zu werden. Also ein großzügiges Füllhorn.

Nur: Marlene Engelhorn verschenkt nicht nur gefühlt seit mehreren Jahren, sondern auch tatsächlich. 2019 hat sie mit der Ankündigung begonnen, und wir werden in regelmäßigen Abständen auch nachdrücklich daran erinnert. Im Jänner 2024 dachten wir, es wäre endlich so weit, da hat sie jedenfalls erstmals einen Betrag genannt: nämlich 25 Millionen zu verschenkende Euro.

Doch davon sollen nicht bloß die Beschenkten etwas haben, und so beliebt Marlene Engelhorn groß zu inszenieren. Sie weiß jedenfalls, wie man im Gespräch bleibt. Ende November 2022 spendete sie dem linkslastigen Momentum-Institut und tat kund, jede weitere Spende an den Thinktank zu vervierfachen. Aber das wirklich Öffentlichkeitswirksame sind natürlich die Geldgeschenke an Bedürftige. Das wird auch entsprechend ausgeschlachtet. Im vergangenen März gab es Informationen an die Medien zur Ernennung eines sogenannten Bürgerrats aus 50 zufällig ausgewählten Menschen, die über den Kreis der Beschenkten entscheiden sollen. Ist es sehr frech von mir, nicht den allgemeinen Trommelwirbel zu begleiten, sondern zu bitten, dass man die Bescherung endlich über die Bühne bringt? Die Christbaumkerzen sind längst zur Unkenntlichkeit abgebrannt, die Wunderkerzen ein Schatten ihrer selbst. Der Baum ist sowieso nur mehr ein trockenes Gerippe, und trotzdem wird ständig gefeiert. Na ja, möglicherweise bin ich auch zu unromantisch oder schlicht zu ungeduldig.

Am Donnerstag gab es jedenfalls wieder eine Pressekonferenz zu diesem Thema. Diesmal mit Informationen über die Auswahlkriterien des Bürgerrats sowie „die Methoden zur gemeinsamen Lösungsfindung“, und überhaupt sollte „ein Gesamtüberblick zum Projekt“ gegeben werden. Nur, falls irgendjemand die letzten Jahre auf einem anderen Planeten weilte.

Uff. Hoffentlich erlebe ich das Happy End noch. Aber immerhin komme ich völlig gratis in den Genuss des Lehrgangs „Selbstvermarktung, aber richtig“.

Das unbeliebte Pensionsthema

Wobei ich ohnehin bei dem Thema ständig mit Vollprofis zu tun habe. Die vergangenen 14 Tage habe ich zwei Mal Veranstaltungen zum Thema Pensionen moderieren dürfen, und auch da habe ich wahnsinnig viel gelernt. Nicht bloß, dass es ein politisch höchst heikles Thema ist – das weiß ich längst, weil es niemand freiwillig anrührt. Die letzte Pensionsreform hat ja Wolfgang Schüssel gestemmt, und die hundsgemeine Wählerschaft hat es ihm mit seiner Abwahl gedankt.

Seitdem ist das wirklich wichtige Thema in die Rundablage aller Regierenden gewandert, also in den Papierkorb. Der jetzigen schwarz-grünen Koalition ist die Sache so egal, dass die Spitze der Alterssicherungskommission zweieinhalb Jahre verwaist geblieben ist. Jetzt wurde sie mit Christine Mayrhuber endlich besetzt, sie gab Antrittsinterviews, und seitdem fliegen die Fetzen.

Was das mit Selbstvermarktung zu tun hat? Auf den ersten Blick herzlich wenig. Doch bei den erwähnten Diskussionsveranstaltungen war die ÖVP-Jugendsprecherin dabei, die eher unbekannt ist, kein Mensch weiß, warum. Sie meinte auf die Frage, wie man junge Menschen zu mehr Eigenverantwortung punkto Altersvorsorge bringen könnte: „Man sollte“ die Finanzbildung forcieren. Auch die anwesende ÖVP-Staatssekretärin für Jugend, Claudia Plakolm, äußerte ihre Meinung, „dass der Generationenvertrag auf ein gesundes Fundament“ gestellt werden müsse.

Man sollte, man müsste. Nachher meinte ein Anwesender mir gegenüber nicht ganz unzutreffend: „Wäre gut, wenn die ÖVP endlich mal in der Regierung wäre.“ Tja, aber die Selbstvermarktung der ÖVPlerinnen ist immerhin 1A. Botschaft: Man muss endlich ins Tun kommen, mehr als 30 Jahre in der Regierung sind dafür nachgerade läppisch.

Wir lernen also: Gute Selbstvermarktung hat nichts mit Inhalten zu tun, es geht bloß darum aufzufallen, von sich reden zu machen. Der frühere Aufsichtsratspräsident der Staatsholding Öbag, Helmut Kern, hat das meisterhaft verstanden: Er hatte ein gewisses Faible für den öffentlichen Auftritt, hat immer wieder Interviews gegeben. Seine Inszenierung als mächtiger „Mr. Öbag“ war angesichts des politisch angeschlagenen tatsächlichen „Mr. Öbag“ Thomas Schmid kein großes Kunststück, dennoch sehr gelungen. Beruflich hat ihm das freilich wenig Fortune beschert, aber man muss beim Eigenmarketing wohl auch Opfer bringen.

Sein Nachfolger, Günther Ofner, ist da viel geschickter, weil im Hintergrund arbeitend. Damit habe ich mich diese Woche beschäftigt, weil Ofner gerade recht aktiv ist. Es kommt im Öbag-Aufsichtsrat nämlich zu einer Neubesetzung, und da will sich der Aufsichtsratspräsident wieder einmal als machtpolitischer Strippenzieher inszenieren. Meine Recherchen haben freilich ergeben, dass er da eher anrennt.

Wäre übrigens auch ein interessanter Lehrgang: „Selbstvermarktung, ohne Ach und Weh“.

Schönes Wochenende!

Hanna Kordik
hanna.kordik@diepresse.com

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