Gastkommentar

Über die Farce von Ausschreibungen

Österreich hat seit einigen Jahren ein Kultur-Ausschreibungsgesetz, das wohl das dümmste und ineffizienteste ist.

In der Monarchie haben regierende Monarchen oder berufene Stellvertreter die Direktoren von Oper- und Schauspieleinrichtungen bestimmt. In der Republik ist es Sache der für Kunst und Kultur zuständigen Beamten, seien es Minister, Staatssekretäre oder städtische Leiter der Kulturabteilung. Unser Kulturland Österreich hat seit einigen Jahren ein Ausschreibungsgesetz, das wohl das dümmste und ineffizienteste ist.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autorinnen und Autoren wie dieser hier müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Der Amtsträger oder die Amtsträgerin, deren Vor- oder Nachteile durch die langjährige Tätigkeit den Entscheidungsgremien wohl bekannt sind, muss sich trotzdem bewerben, um eine weitere Amtsperiode zu erhalten. Daher führt man mit den Amtsträgern erläuternde Gespräche genauso wie mit allen anderen Bewerberinnen und Bewerbern, um zu erfahren, was diese vorhaben, obwohl alles, was der oder die frühere Amtsträgerin weiß oder nicht weiß, bereits gründlich bekannt ist.

Die unlängst erfolgte Verlängerung des Intendanten der Salzburger Festspiele ist das beste Beispiel für den gesetzlich vorgeschriebenen Nonsens. Der durch seine fast schon zehnjährige künstlerische Leitung der Salzburger Festspiele wohlbekannte Amtsträger musste sich mit allen anderen Bewerberinnen und Bewerbern dem Festspielkuratorium und der Vertreterin des Kulturministeriums stellen, um weiter im Amt zu bleiben.

Die Kulturpolitiker tragen die Verantwortung für die Neuernennung von Theater-, Opern- oder Festspielleitern genauso selbstverständlich wie für die Dienstverlängerung von bereits im Amt stehenden.

Man kannte meine Tätigkeit

Eine Verlängerung von Herbert von Karajan in der Staatsoper oder von Claus Peymann im Burgtheater mit einer verpflichtend neuen Bewerbung wäre genauso wie bei allen anderen Theaterleiterinnen und Theaterleitern undenkbar gewesen. Bei meiner dreifachen Vertragsverlängerung entschied dies immer der jeweilige Bundeskanzler. Eine Ausschreibung fand nicht statt, denn man kannte meine bisherige Tätigkeit.

Doch heutzutage macht man sogar „Findungskommissionen“, wenn einem selbst nichts einfällt, so wie im Fall der Suche nach einem neuen Direktorium für das Theater in der Josefstadt,

Die SPÖ-Stadträtin Veronica Kaup-Hasler nominiert dann nach dem Vorschlag des Vorschlagskomitees, wobei es dabei hoffentlich besser ausgeht als bei ihrer eigenen Findung für das Volkstheater und die Wiener Festwochen. Durch die Abwälzung der eigenen zu verantwortenden Bestellung eines Theater- oder Festivalleiters soll der politisch Verantwortliche nicht kritisierbar sein. Dies ist der Grund für das seit einigen Jahren erlassene Gesetz zur Ernennung von Leitern der Kultureinrichtungen.

Wenn jemand ein staatliches, also durch Steuereinnahmen unterstütztes Theater, Opernhaus oder Konzerthaus leitet, ist der Vertrag des Direktors, der Direktorin üblicherweise auf fünf Jahre abgeschlossen. Folglich kann jeder Interessierte die Tätigkeit des Leiters, der Leiterin nach diesen Jahren beurteilen. Die zuständige Aufsichtsbehörde kann den Vertrag verlängern oder beenden und jemand anderen mit der Leitung beauftragen. Doch so ist es leider nicht. Nach der jetzigen Gesetzgebung muss man mit den bereits tätig gewesenen Amtsträgern genauso wie mit allen neuen Bewerbern ausführlich über deren Ansichten und Absichten für die von ihnen angestrebte Leitungsposition verhandeln.

Ioan Holender (* 1935 in Timișoara, Rumänien) war von 1992 bis 2010 Direktor der Wiener Staatsoper.

Reaktionen senden Sie bitte an: debatte@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.