Gastkommentar

Gegen Misswirtschaft, Spaltung und Stillstand

Reform. Was es brauchen würde: ein konstruktives „Mehrfachwahlrecht“, leistungsförderndes Steuersystem und rigorose Entbürokratisierung.

Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus“, heißt es in Artikel 1 der Bundesverfassung. Davon ist immer weniger zu spüren. Der Staat sollte eigentlich den Menschen dienen – doch die Verwaltung ist viel zu beherrschend geworden. Die größten Geißeln des Parteienstaats lauten: Bürokratie, Inkompetenz und Korruption, Ideologie und Polarisierung.

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Die Zugehörigkeit zu einem Staat wird vor allem konstituiert durch die Pflicht, Steuern zu zahlen – und durch das Recht, sich an demokratischen Wahlen zu beteiligen. Wahlrecht und Steuersystem sind die beiden wichtigsten Spielregeln. Sie entscheiden über die Verteilung von Macht und Geld – und sollten daher optimiert werden.

Nachhaltige Steuerreform

Für die Steuern sollte vor allem gelten: sämtliche Abgaben auf Arbeit möglichst schnell und möglichst weit senken. Dafür lieber die Steuern auf Konsum erhöhen. Nicht das, was wir geben, unsere Arbeit, sollte besteuert werden. Sondern lieber das, was wir nehmen, also der Konsum. Und für Verteilungsfragen könnte generell das Prinzip gelten, „Spieltheorie vor Ideologie“ – also die Rechnung nicht ohne den Wirt machen. Leistung muss sich auszahlen; aber wenn es zu viele Menschen gibt, die nichts oder wenig zu verlieren haben, dann wird dies zum Problem für jene, die sehr wohl noch etwas zu verlieren haben.

Um eine immer weiter gehende Spaltung und Polarisierung von Politik und Gesellschaft zu stoppen, sollte auch das Wahlrecht reformiert werden. Wenn Wähler nur eine einzige Stimme zu vergeben haben, zahlt sich eine ideologische Polarisierung seitens der politischen Parteien aus: Denn selbst wenn einen 70% der Wähler noch so sehr ablehnen, können einen ja die restlichen Wahlberechtigten dennoch wählen. Je unrealistischer und extremer die Positionen einer Partei sind, je mehr mit Feindbildern, Schuldzuweisungen und Übertreibung gearbeitet wird – desto leichter lassen sich unzufriedene, frustrierte Bürger mobilisieren. Damit löst man zwar keine Probleme, aber man kann Wahlen gewinnen.

Daher wäre es besser, wenn die Wähler jeweils mehrere Stimmen zu vergeben hätten, und zwar in Form einer Reihung: das hieße etwa, drei bis fünf Parteien in der persönlich bevorzugten Reihenfolge zu platzieren. Also statt wie bisher nur eine Partei zu wählen, kann man – muss man aber nicht – auch noch mehrere Plätze an andere Parteien vergeben. (Bei drei zur Verfügung stehenden Stimmen hieße das dann etwa, dass die erstplatzierte Partei drei Punkte erhält, die nächste zwei – und die drittplatzierte schließlich noch einen Punkt.)

Dies hätte den großen Vorteil, dass es sich für die Parteien viel weniger auszahlte, eine spaltende und polarisierende Politik zu betreiben. Weil man dadurch zwar viele erste, aber etwa kaum zweite oder dritte Plätze erreichen könnte. Denn die stärker „polarisierenden“ Parteien haben ja immer auch viele, zum Teil erbitterte Gegner. Und diese würden der jeweiligen Partei natürlich entsprechend weniger bis gar keine Punkte geben.

Somit zahlte es sich mehr aus, sich um die Lösung von Problemen und Konflikten zu bemühen. Kreativ-konstruktive Kräfte würden dabei profitieren, was die Problemlösungsfähigkeit der Politik insgesamt erhöhen könnte – und auch die „extremeren“ Parteien zwingen würde, realistischer, ehrlicher und pragmatischer zu agieren. Das Niveau der Politik würde sich dadurch generell erhöhen.

Bürokratieabbau

Je mehr Stimmen der einzelne Wähler hat, desto stärker kann einer Polarisierung der Politik, also einer Spaltung der Gesellschaft, entgegengewirkt werden. Am einfachsten wäre natürlich eine Negativstimme. Aber das würde wiederum auch pola­risieren. (Negativstimmen könnten andererseits sicher auch bisherige Nichtwähler mobilisieren.)

Die Verwaltung ist zu teuer und bestimmend geworden. Eine grundlegende Entbürokratisierung könnte nicht nur zu erheblichen finanziellen Einsparungen führen und damit Steuersenkun­gen und Produktivitätssteigerungen ermöglichen, sie würde auch das Leben der Bürger erleichtern – wenn diese sich weniger mit Formularen, Statistiken und administrativen Hürden beschäftigen müssten.

Wir brauchten eine stärkere Gewaltentrennung – wie es in unserer Verfassung eigentlich vorgesehen wäre. Derzeit ist der Einfluss der politischen Parteien in fast allen Bereichen des Lebens zu groß. Es gibt zu wenig demokratischen Wettbewerb (Volksabstimmungen, Persönlichkeitswahlrecht, …), zu schwache „Checks and Balances“, zu wenig innerparteiliche Demokratie, auch viel zu viele Behörden, öffentliche Institutionen, Verwal­tungsebenen. Die Bürger sollten generell mehr Möglichkeiten bekommen, den Staat zu kontrollieren. Der Staat sollte dafür weniger Möglichkeiten haben, die Bürger zu kontrollieren.

Und zuletzt brauchten wir noch eine bessere Gesprächskultur. Größtmögliche Meinungsfreiheit ist unerlässlich – aber nicht alles, was man sagen darf, muss man auch sagen! Statt aber Dinge nur zu sagen, weil einem dies jemand verbieten möchte, sollte man wohl lieber umgekehrt freiwillig darauf verzichten, bestimmte Dinge zu sagen – aus Empathie und Rücksicht gegenüber den Betroffenen. Mit anderen Worten: Die Bürger sollen sich frei fühlen zu sagen, was sie denken oder empfinden – aber auf möglichst angemessene, sachliche und wertschätzende Weise.

Christoph Bösch (*1962) ist freier Publizist in Wien.

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