Moules-frites

Heiß und fettig, seit es Belgien gibt

Die belgische Fritte ist die beste der Welt – ihre Geschichte ist auch eine der Moderne. Sie gibt es seit 1835 und damit fast so lang wie das Königreich Belgien.

Moules-frites also soll diese Kolumne hier fortan heißen. Denn in den vielen Jahren, die ich nun schon in Brüssel lebe, habe ich nur weniges kennengelernt, das die Belgier über alle weltanschaulichen, sprachlichen und über alle sozialen Grenzen hinweg so sehr zu vereinen mag.

Natürlich isst nicht jeder Belgier gerne Miesmuscheln mit Pommes frites. Aber ich kenne kaum einen, der nicht eine Meinung dazu hat, wo es die besten Fritten gibt.

Doch woher kommen sie? Das Standardwerk „Petit traité de la pomme de terre et de la frite“ von Pierre-Brice Lebrun lehrt uns, dass ab dem Jahr 1830 und mit der massiven Einfuhr fetthaltiger Nüsse aus den französischen Kolonien (allen voran senegalesische Erdnüsse) jene Mengen an billigem Kochöl verfügbar wurden, die für das Frittieren nach belgischer Art eben erforderlich sind.

Doch warum Belgien? Nun, das im Jahr 1830 gegründete Königreich industrialisierte sich schneller als alle anderen Staaten auf dem europäischen Kontinent. Ein wachsendes Bürgertum bekam dadurch Muße und Lust, sich zu zerstreuen. Das verhalf den Rummeln zum Aufschwung, und auf einem solchen in Lüttich bot 1835 der junge Jean-Frédéric Krieger aus dem rheinland-pfälzischen Bosenbach erstmals seine frittieren Waren an.

Mit seinem Bruder klapperte er die Rummel ab, stets das Markenzeichen „Fritz“ auf seinem Wagen. Dem folgte bald eine mobile Degustationsbude, Vorgängerin der „Fritures“ oder „Fritkots“, die heute zum belgischen Kulturerbe zählen. Auch die Form der Fritte geht auf Krieger zurück: er sägte ein Loch in einen Tisch, montierte ein Gitter darauf, und drosch mit dem Hammer eine Kartoffel nach der anderen durch.

Globalisierung, Industrialisierung, Konsumgesellschaft, Marketing: Im Brennpunkt dieser historischen Phänomene brutzelt also seit mittlerweile fast 200 Jahren die Fritte vor sich hin – fast genauso lange, wie es Belgien gibt.

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

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