Sportgerät

Nachhaltig unterwegs: Mit wie vielen „R“s schreibt man eigentlich „Laufschuh“?

Naturfarben und mit Reißlinie an der Seite
Naturfarben und mit Reißlinie an der SeiteTom Rottenberg
  • Drucken

Mit dem „Index.03“ legt Salomon einen zu 100 Prozent recyclebaren Laufschuh vor. Aber das neutrale Mittelgewicht verweist auch auf ein paar anderen Nachhaltigkeits-Aspekte. Und läuft sich sehr ähnlich wie weit weniger „grüne“ Konkurrenten.

Manchmal ist es wichtiger, worauf ein Produkt hinweist, als das, was es tatsächlich und unmittelbar kann. Wenn es dann auch noch – losgelöst von der Botschaft auf der Metaebene – gut performt: umso besser. Aber eben gleich doppelt besser, wenn es ein gerne ausgeblendetes Thema in den Fokus rückt – und so den Mitbewerb zumindest mittelfristig unter Zugzwang setzt.

Denn auch wenn das Thema Nachhaltigkeit längst auch in der Sportartikelbranche angekommen ist, wenn auf der Ispo (der weltgrößten Sport-Fachmesse) ebenso im kürzesten Imagevideo ausführlich über „going green“ fabuliert wird, bleiben manche Aspekte da meistens unbeachtet: Ob recycelte Materialien bei der Herstellung verwendet werden oder wie und wie ein Sportgerät in einen Recyclingkreislauf passt, wird oft besprochen. Eh nett. Aber: Wie sparsam und umsichtig bei der Herstellung mit Stoffen und Materialien umgegangen wird, wie effizient und ressourcenschonend beispielsweise zugeschnitten wird – davon ist so gut wie nie die Rede.

Unmengen an Verschnitt

Bis es einer einmal macht und dem Publikum staunend-fragend die Augen aufgehen: Dass bei der Herstellung eines Laufschuhs fast ebenso viel Obermaterial-„Stoff“ als Verschnitt zu Abfall wird, wie tatsächlich für den Schuh verwendet wird, weiß kaum jemand.

Doch genau das ist eine der Aha-Erkenntnisse, sobald man sich mit dem „Index 03“ von Salomon beschäftigt: Der französische Hersteller legt mit diesem auf den ersten Blick eher unauffälligen Laufschuh ein Modell vor, das bisserl mehr kann, als Hobbyläuferinnen und -läufer von einem sehr brauchbaren Trainings- und vielleicht ja auch Wettkampfschuh erwarten können. (Vorausgesetzt, er passt zu Fuß und Laufstil, aber da sind dann gute Berater/Verkäufer gefordert. Ein schwieriges, anderes Thema, dazu später vielleicht mehr.)

Rücksendung auf Kosten des Herstellers

Was den „Index.03“ aus der großen Masse an Schuhen für Läuferinnen und Läufer mit „normaler“ Fußstellung, solider Lauftechnik und ohne spezielle Ansprüche an Stütze, Führung, Pronation, Tempo, Rebound (also, vereinfacht, Katapult-Wirkung) heraushebt, ist nicht seine Performance beim Laufen selbst. Sondern das, wofür er steht: Salomon behauptet, einen Schuh vorzulegen, der zu 100% recycelt werden kann. Wird er am Ende seiner Lauf-Karriere vom Käufer (auf Kosten des Herstellers) an den Hersteller retourniert, soll er - sagt der Hersteller – so zerlegt, fraktioniert und Teil für Teil wiederverwertet werden können, dass genau gar kein Müll übrig bleibt.

Sohle und Obermaterial werden demnach – an einer gut sichtbar an der Seite eingezeichneten „Reißlinie“ – voneinander getrennt, dann wandern die einzelnen Komponenten in Skischuhe, Textilien und andere (Sport)-Kunststoff-Produkte. Klingt fein, so es tatsächlich und in relevanten Umfängen und Mengen umgesetzt wird.

Die Überraschung hinter dem „Index.03“ liegt aber anderswo: Salomon hat sich da allem Anschein nach nicht nur mit „recycle“, als „gängigstem“ und publikumswirksamstem Aspekt des „Fünf-R-Prinzips“ der Kreislaufwirtschaft (Refuse, Reduce, Rethink, Reuse & Recycle) beschäftigt, sondern ein paar andere „R“s zumindest an- und mitgedacht.

Auf Einfärben verzichtet

Nicht nur, weil die Zunge des Schuhs aus recyceltem Polyester ist. Denn spannender, weil seltener bedacht oder kommuniziert, wird es, wenn man den Materialverbrauch beim Index.03 ansieht - und dann über den Tellerrand schaut: Durch sparsame, überlegte Schnittmuster und -varianten wird beim Obermaterial die Materialverschwendung von bei Laufschuhen laut Salomon gängigen über 40 auf 26 Prozent signifikant reduziert. Insgesamt – die Sohlen mit eingerechnet – wird der Materialverbrauch um 14 Prozent reduziert. Auch die Zahl und Länge der Nähte wurden deutlich reduziert, auf Einfärben weitestgehend verzichtet.

Natürlich könnte man jetzt – bewusst negativ – fragen, ob da nicht noch mehr möglich, mehr drin wäre. Oder aber man stellt eine andere, globalere Frage: Wenn das ohne Qualitätsverlust bei einem Hersteller bei einem Modell möglich ist – wie hoch wäre und ist das „Rethink“/„Reduce“-Potenzial einer ganzen Branche, eines ganzen Produkt- und Marktsegments? Wie viele Millionen Paar Laufschuhe werden jedes Jahr hergestellt, verkauft und dann eben nicht recycelt? Wenn Salomon betont, hier einen, vielleicht ja tatsächlich den ersten, zu 100 Prozent wiederverwertbaren Laufschuh vorzulegen: Was ist mit dem Mitbewerb?

Nicht besser und nicht schlechter als andere Modelle

Denn – und da kommen wir wieder zur eigentlichen Funktion und zur Performance des Index.03 – der off-weiße Schuh läuft sich um keinen Deut besser oder schlechter als andere Laufschuhe, die für Menschen mit dem gleichen Laufschuh-Profil und -Bedarf hergestellt werden: neutral, leicht, praktisch ohne Pronationsstütze (also, vereinfacht, Seitlich-Einknick-Stütze), mittelweich, mit zivil-mäßigem Rebound auf Asphalt und festem, ebenen Untergrund komfortabel auch über längere Strecken bis zu mittelhohem Tempo zu laufen. Vorausgesetzt, wie eingangs erwähnt, Schuh, Laufstil und Fuß passen wirklich zueinander: Eine Frage guter Beratung im Shop, markenneutral und egal für welchen Lauftyp.

Wenn die Beratung passt, steht man nach An- und Laufprobe meist mit drei oder vier „würdigen“ Schuhkandidaten im Laden und kann nach Gusto entscheiden. Und da der Index.03 auch bei Gewicht (knapp 250 Gramm) und Preis (150 Euro) mit Schuhen, die in punkto Nachhaltigkeit auf deutlich weniger „R“s verweisen könne, da durchaus mithalten kann, spricht eigentlich nicht viel dagegen, mit so einem Schuh einen Schritt in jene Richtung zu gehen, in die sich eine ganze Industrie bewegen könnte.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.