Gastkommentar

Putins einzige Hoffnung ist jetzt Trump

Der US-Präsidentschafskandidat der Republikaner, Donald Trump, erscheint am 1. Mai bei einem Wahlkampfevent im Expo Center in Waukesha, Wisconsin.
Der US-Präsidentschafskandidat der Republikaner, Donald Trump, erscheint am 1. Mai bei einem Wahlkampfevent im Expo Center in Waukesha, Wisconsin.APA / AFP / Alex Wroblewski
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Ob Trumps Rückkehr ins Oval Office ab 2025 Putin wirklich so helfen wird, wie er glaubt, steht noch in den Sternen.

Vor wenigen Tagen gab es eine Nachricht, die in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zweifellos mit Erleichterung aufgenommen wurde – und im Kreml mit Sorge: Der US-Kongress hat endlich seine sechsmonatige Blockade überwunden und ein neues Militärhilfspaket für die Ukraine (sowie Israel und Taiwan) genehmigt. Und dieser Durchbruch kam nur wenige Tage, nachdem auch die EU-Staatschefs weitere Unterstützung versprochen hatten – zusätzlich zu den bereits genehmigten großen Hilfspaketen. Wie dies genau aussieht, ist noch offen, aber Deutschland hat bereits ein weiteres Patriot-Luftabwehrsystem zugesagt – eine der Schlüsseltechnologien, die Russland bisher daran gehindert haben, einen entscheidenden Vorteil zu erringen. Außerdem haben die Deutschen auch andere EU-Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, die Luftverteidigung der Ukraine zu unterstützen.

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Diese Unterstützung ist dringend nötig. Die vergangenen Monate waren für die Ukraine schwierig. Nachdem ihre – gespannt erwartete – militärische Gegenoffensive vergangenes Jahr kaum erfolgreich war, wurde ihre Moral dadurch, dass sich Amerika auf kein weiteres Hilfspaket einigen konnte, empfindlich getrübt. Während der Kreml seine Raketenangriffe auf ihre industrielle und energetische Infrastruktur ausweitete, ging der Ukraine die Munition aus.

Ziele zurückgeschraubt

So verschlechterte sich die ukrainische Lage immer mehr, und der Kreml konnte einen Propagandasieg für sich verbuchen: Obwohl viele Russen den Krieg beenden möchten, konnte Präsident Wladimir Putin ihnen versichern, dass die Willenskraft des Westens nachlässt. Nicht nur produzieren die russischen Munitionsfabriken mit Volldampf, sondern Donald Trump könnte durchaus die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen und Anfang nächsten Jahres wieder in das Weiße Haus einziehen. So schienen die Russen schon vor einer Art Sieg zu stehen.

Aber vergessen wir nicht, dass Putin seit dem Beginn des Angriffskriegs im Februar 2022 seine Ziele massiv zurückschrauben musste. Ursprünglich hatte er behauptet, die Regierung des ukrainischen Präsidenten, Wolodymyr Selenskij, würde innerhalb von Tagen gestürzt – und das gesamte angeblich ukrainische Staatsgebiet würde wieder zu Russland gehören. Die russischen Truppen sollten in Kiew einmarschieren, wo sie als Befreier begrüßt würden.

Rückzug aus Kiew

Dies war eine historisch fast beispiellose strategische Fehlkalkulation. Die russische Offensive kam bald ins Stocken, und die Streitkräfte mussten sich aus wichtigen Gebieten rund um Kiew wieder zurückziehen. Und in den Monaten darauf wurden sie auch aus den zuvor besetzten Gebieten Cherson und der Charkiw-Region vertrieben.

Die wilde Entschlossenheit der Ukraine war nicht das Einzige, was der Kreml unterschätzt hatte. Er scheint auch nicht erwartet zu haben, dass eine große Koalition westlicher Länder mit umfassenden finanziellen und militärischen Hilfsmaßnahmen reagieren würde. 2023 gerieten die russischen Streitkräfte in die Defensive, und es wurden Hoffnungen laut, die Ukrainer könnten – mithilfe westlicher Waffen – die Invasoren wieder vertreiben.

Zermürbungskrieg

Als dies nicht geschah, wurde der Konflikt zu einem Zermürbungskrieg. Die westliche Entschlossenheit schien abzunehmen, und Putin wurde optimistischer. Er schien die Zeit auf seiner Seite zu haben. Obwohl er zweifellos neue Offensiven vorbereitet hat, schätze ich, dass er sich – mehr als auf seine eigenen Truppen – darauf verlassen hat, dass ihm Trump zu Hilfe kommt.

Aber nun hat sich das Blatt erneut gewendet. Trotz der ­Trump’schen Isolationisten und Putin-Versteher in ihren eigenen Reihen haben die Kongressrepublikaner gemeinsam mit ihren demokratischen Kollegen das Hilfspaket genehmigt, auf das die Ukrainer so verzweifelt gewartet haben. Obwohl es eine Weile dauern wird, bis die neuen Munitions- und Waffenlieferungen an die Front gelangen – wo die Russen zwar kleine, aber stetige Fortschritte machen –, ist der unmittelbare politische und psychologische Effekt erheblich: Die Chance, dass die Ukraine dort die Stellung hält und neue russische Angriffe überlebt, ist dramatisch gestiegen.

Wie viel Zeit hat Putin?

Ob Putin tatsächlich die Zeit auf seiner Seite hat, ist plötzlich nicht mehr so klar. Wenn uns der Krieg bisher eines gelehrt hat, dann die Tatsache, dass Verteidigung leichter als Angriff ist. Mittel- bis langfristig werden in Europa und den Vereinigten Staaten wahrscheinlich genau so viel – oder gar mehr – Artilleriegranaten hergestellt wie in Russland, das bereits auf Munition aus Nordkorea zurückgreifen musste. Darüber hinaus werden die ukrainischen Langstreckentechnologien zunehmend verbessert; und im Land wurde neues Personal rekrutiert, das einige der Kampfkräfte und Reserven an der Front ersetzen kann. Kurz gesagt, Putins Hoffnung, in diesem Jahr den Sieg zu erzielen, wird sich in Luft auflösen. Seine Kriegsbemühungen werden weiter den Bach hinuntergehen.

Retter aus Mar-a-Lago

Aber eine Hoffnung bleibt dem Kreml: Er wird weiterhin sehnlich auf seinen Retter aus Mar-a-Lago warten – den ein Republikaner angeblich „orangefarbenen Jesus“ genannt hat. Ob Trumps Rückkehr in das Oval Office allerdings Putins selbst erschaffenen Leidensweg beenden würde, ist eine andere Geschichte.

Momentan sieht es erst mal so aus, dass Russland in der Ukraine erneut scheitern wird.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff.
Copyright: Project Syndicate, 2024.

Der Autor:

Carl Bildt (*1949) ist ehemaliger Ministerpräsident und Außenminister Schwedens. Er war von 1991 bis 1994 Ministerpräsident von Schweden, nach dem Dayton-Abkommen von 1995 bis 1997 Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina und von 2006 bis 2014 schwedischer Außenminister. Er war Politiker der Moderata samlingspartiet, sie ist eine bürgerlich-konservative Partei mit liberalem Wirtschaftsprogramm.

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