Spectrum

Für jeden Schmarren steigen wir ins Auto

Seit Österreich 2002 eine „Nachhaltigkeitsstrategie“ beschlossen hat, wurde das Straßennetz um 800 Kilometer ausgebaut.
Seit Österreich 2002 eine „Nachhaltigkeitsstrategie“ beschlossen hat, wurde das Straßennetz um 800 Kilometer ausgebaut. Samuel Zuder/Picturedesk
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In Langeoog gibt es Handwerker ohne Firmenauto und Männer um die sechzig, die mit dem Lastenrad unterwegs sind. Im Weinviertel würde ­jeder glauben, dass sie den Führerschein abgeben mussten. Unser „Spectrum“-Autor Reinhard Seiß über den Autowahn und wie man ihm beikommt.

In sechs Jahren sollten wir so weit sein. Zumindest hat die Politik das versprochen. Bis dahin sollten wir die ersten Klimaziele erreicht haben. Also ehrlich gesagt: Ich bin da skeptisch. Gut, viele haben zuletzt ihre alten Ölheizungen ausgetauscht. Aber wenn man sich den Verkehr anschaut! Der wächst und wächst und wächst. Obwohl die Politik seit den 1990er-Jahren davon redet, dass er weniger werden muss.

Fast ein Drittel unserer CO2-Emissionen soll ja aus dem Auspuff der Autos stammen. Und da reden wir noch gar nicht vom Smog und dem Feinstaub und davon, was neue Straßen in Natur und Landschaft alles anrichten. Oder dass es die Einkaufszentren und Supermärkte auf der grünen Wiese nur deswegen gibt, weil wir alle mit dem Auto hinfahren. Genauso wie die grauslichen Gewerbegebiete. Und dass nur deswegen so viele Innenstädte leer stehen. Also verglichen mit dem Autoverkehr ist so eine alte ­Ölheizung eigentlich harmlos. Und jetzt soll bloß keiner sagen, dass die Elektroautos all diese Probleme lösen!

Wenn es nur so wäre, dass wir beim Verkehr keine Fortschritte machten. Die Verkehrspolitik der vergangenen Jahrzehnte ist der reinste Rückschritt!

Seit Österreich im Jahr 2002 eine „Nachhaltigkeitsstrategie“ beschlossen hat, wurde das hochrangige Straßennetz um 800 Kilometer ausgebaut, davon 300 Kilometer Autobahnen und Schnellstraßen. Gleichzeitig ist das Schienennetz um 700 Kilometer geschrumpft. Und auf vielen anderen Strecken wurde der Bahnverkehr eingestellt, während der Autobahnbau munter weitergeht. Freilich darf man nicht alles auf die Politik schieben. Herr und Frau Österreicher helfen kräftig mit: Früher war ein Pkw eine Tonne schwer. Heute fahren wir mit zwei Tonnen durch die Gegend. Oft weniger als ein, zwei Kilometer weit. Damit wir die Kinder in die Schule bringen. Oder die Kipferl für das Sonntagsfrühstück holen. Und ins Fitnesscenter fahren, um uns wieder einmal zu bewegen. Also in Sachen Energieeffizienz schneidet der heutige Gebrauch – oder Missbrauch – des Autos deutlich schlechter ab als jede Ölheizung aus den 1970er-Jahren. Selbst wenn man den ganzen Winter die Fenster offen lässt.

Falsches kann man nicht perfektionieren

Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass wir das Klima durch Effizienzsteigerung und andere technische Verbesserungen retten. Also zumindest nicht im Verkehr. Denn „verbessern“ lässt sich nur das, was prinzipiell gut läuft. Solange wir aber ins Auto steigen, obwohl wir – ganz bequem – die Schiene, das Fahrrad oder unsere Füße benutzen könnten, solange läuft im Verkehr etwas prinzipiell falsch. Und was Falsches kann man nicht perfektionieren. Das muss man grundlegend ändern.

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