Gastkommentar

Ist Durchfeiern für Mamas unmöglich?

Zum Muttertag. Wieso die Idee eines Mütter-only-Discoabends aus feministischer Sicht äußerst fragwürdig ist.

„Mama geht tanzen“ heißt es also, das neue Partykonzept, und die Tickets für dieses Drei-Stunden-Event, das sich besonders an Frauen mit kleinen Kindern richtet, verkaufen sich in unglaublicher Geschwindigkeit. Volle Hallen und glückliche Gesichter sieht man seit einiger Zeit in vielen deutschsprachigen Städten auf Instagram und Facebook (ja, Facebook!).

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren und Autorinnen müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr aus der Rubrik „Gastkommentare“

Ist es nicht praktisch: Mama geht tanzen, aber nach drei Stunden kommt sie wieder nach Hause. Sie bleibt also nicht die ganze Nacht, womit sichergestellt ist, dass sie sich jedenfalls am nächsten Tag und wahrscheinlich auch noch in derselben Nacht uneingeschränkt um die Kinder kümmern kann. Sie feiert auch nur drei Stunden, was bedeutet, dass nicht so viel Zeit bliebt, um sich zu betrinken. Durchfeiern ist nämlich für Mamas kleiner Kinder unmöglich, zumindest schreiben das verschiedene Medien.

Und für Papas schon?

Aha. Und für Papas schon? Die sind im Konzept „Mama geht tanzen“ gar nicht ausgeschlossen, kommen aber nur vereinzelt mit. Vermutlich, weil sie nicht müssen, denn für die Papas gibt es das ja alles schon – sie gehen feiern, wenn die Clubs offen haben. Und bleiben die ganze Nacht.

Drei Stunden zu feiern lässt uns übrigens auch ein nur eingeschränktes schlechtes Gewissen zu. Selbst wenn diese drei Stunden zu Hause nicht so toll laufen, ist die Mama dann ja spätestens um 23 Uhr wieder da und kann wieder alles in Ordnung bringen: das Kind stillen, die Küche aufräumen, Wäsche aufklauben, die Schultaschen einpacken und für den nächsten Tag alles fertig machen. Feiern eben und trotzdem Kinderbetreuung. Was übrigens genau das Gegenteil von der Freiheit ist, die ursprünglich hinter der Idee steckt.

Das Konzept wurde von zwei Müttern entwickelt, die den Wunsch hatten, einfach einmal wieder tanzen zu gehen, laute Musik zu hören, sich um nichts Sorgen machen zu müssen. Das wäre eigentlich ein wichtiger Ausgangspunkt. Sich die Frage zu stellen: Wie sind wir so weit gekommen, dass die einen feiern dürfen und die anderen nicht? Ist hier eventuell ein Ungleichgewicht entstanden, wer sich worum zu kümmern hat? Sollten wir nicht alle ab und zu freihaben und ohne Sorgen ausgehen können? Und anstatt dass wir es möglich machen, dass sich alle Menschen gleichberechtigt um Kinder, Familie, Angehö­rige, Freunde, Freundinnen und Zu-Pflegende kümmern, bleiben wir dabei, dass Care-Tätigkeit hauptsächlich von Frauen ausgehen sollte, und schaffen ein schönes, cooles Programm, das genau diese Arbeitsteilung nochmals unterstützt.

Freiheit von 20 bis 23 Uhr

Zusammengefasst heißt es für Mütter also: Tanzen ja, Care-Arbeit trotzdem. Freiheit von 20 bis 23 Uhr. Und sonst halt nicht.

Bevor ich mir jetzt den Zorn sämtlicher tanzfreudiger Mütter zuziehe: Ich finde Partys toll. Ich finde Tanzen unglaublich super und befreiend. Aber: Warum brauche ich als Mutter dafür ein „spezielles“ Mama-Zeitfenster? Weil unsere Gesellschaft immer noch auf einer genderspezifischen Trennung aufgebaut ist, die Care-Tätigkeiten hauptsächlich den Müttern zuschreibt.

An „Mama geht tanzen“ ist also rein gar nichts fortschrittlich oder befreiend, sondern es werden alte und genderstereotype Systeme bestärkt.

Dr. Marita Haas (*1977) spricht und schreibt über Gender Equality, Ungleichheiten in Gesellschaft sowie Arbeitswelt und darüber, wie man sie beseitigt. Sie hat Strukturen und Prozesse von mehr als 60 Unternehmen, NGOs und Start-ups analysiert und bei deren Transformationen beraten.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.