Glosse: Die Wanzenburg am East River

Also wie ein Aufschrei der Entrüs tung klang es ja nicht gerade, als UNO-Sprecher Fritz Eckhard mit der Information konfrontiert wurde, der Generalsekretär der Vereinten Nationen sei vor dem Irak-Krieg von Geheimdiensten systematisch ausspioniert worden: "Wenn das so wäre, dann wären wir sehr enttäuscht." Das klingt eigentlich schon eher nach Resignation - und entspricht so ganz gut der allgemeinen Gefühlslage in der UNO-Zentrale am East River.

Man soll sich auch nichts vormachen: Das Hauptquartier der Weltorganisation am New Yorker East River stand und steht im Mittelpunkt der "Aufklärungsarbeit" von Geheimdiensten aus aller Welt. Hat wohl je jemand all die Abhörwanzen gezählt, die in dem 38-stöckigen Wolkenkratzer und in all den UN-Vertretungen im Umkreis während der Jahrzehnte angebracht, entdeckt, entfernt und ersetzt worden sind? Vermutlich geht die Zahl in die Tausende. Dabei ist davon auszugehen, dass in diesem "Geschäft" die Wanzenleger den Wanzenjägern immer einen Schritt voraus sind.

Im Übrigen ist auch glasklar, dass in der UNO-Stadt Wien mit ihren zahlreichen anderen internationalen Organisationen die "Gepflogenheiten" nicht viel anders sind. Wo sich die internationale Diplomatie tummelt, wo Weltpolitik gemacht wird, da versammeln sich eben auch die Spione, die Agenten beziehungsweise "Aufklärer", wie sie etwas verharmlosend heißen. Entweder man versucht, den Wanzenlegern auf die Schliche zu kommen. Oder aber man macht lange, ausgedehnte Spaziergänge im Freien, um vertrauliche Informationen auszutauschen: im Central Park oder auf der Donauinsel.

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