Grasser verteidigt das Inkaufnehmen eines Defizits für eine Steuerreform.

Der Finanzminister im "Presse"-Gespräch über die angebliche Mär der einnahmenseitigen Konsolidierung.

Die Presse: Das Nulldefizit war einmal das Credo des Karl-Heinz Grasser. Jetzt nehmen Sie für eine Steuerreform ein Defizit in Kauf. Haben Sie von der SPÖ gelernt?

Karl-Heinz Grasser: Es wäre schwer möglich, von den Sozialdemokraten Wirtschaftspolitik zu lernen. Wir rücken keinen Millimeter von der Finanzpolitik der letzten Jahre ab. Wir haben immer einen ausgeglichenen Haushalt über den Konjunkturzyklus hinweg angestrebt. In Hochkonjunkturzeiten einen Überschuss, in Zeiten der Rezession ein Defizit. Mit der Steuerreform nehmen wir auch 2005 und 2006 ein Defizit in Höhe von bis zu einem Prozent in Kauf. Die Strukturreformen, die wir jetzt angehen, werden uns aber den Spielraum geben, um 2007/2008 wieder auf null zu sein.

Die kommenden Jahre weisen Defizite aus, obwohl das Wirtschaftswachstum 2005 bei 2,5 Prozent angenommenen wird. Wann kommen die Überschüsse im Zyklus, um die Defizite abzudecken?

Grasser: Wir haben 30 Jahre lang kein Defizit unter zwei Prozent, sondern in der Größenordnung von fünf bis sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts gehabt. Wir liegen also jetzt auf einem sehr guten Niveau.

Wir sind seit 2001 in einer Periode, die im Prinzip Stagnation bedeutet, wir können aber optimistisch sein, 2004 bis 2010 in einen Aufschwung hineinzugehen. Die Kostenbremsen, die wir jetzt setzen, wirken natürlich auf Jahre hinaus. Ab 2007 sind wir wieder "close to balance", danach sind Überschüsse leicht möglich.

Die größten EU-Mitgliedsländer Frankreich und Deutschland halten sich kaum noch an den Stabilitätspakt. Hat das Folgen für uns?

Grasser: In der Währungsunion haben wir national die Möglichkeit zu Abwertungen ebenso aufgegeben wie die Möglichkeiten einer eigenständigen Zinspolitik. Das heißt, uns bleiben nur mehr Strukturreformen. Und wenn Länder wie Frankreich und Deutschland diese Strukturreformen - Pensionen, Gesundheit, Arbeitsmarkt - nicht angehen, zahlen alle anderen über höhere Zinsen mit. Zudem ist der Euro durch eine Aufweichung des Stabilitätspakts gefährdet.

Laut Ökonomen wäre es verheerend, würden Frankreich und Deutschland in der aktuellen Konjunkturlage einen harten Sparkurs fahren.

Grasser: Österreich war 2000 Schlusslicht in der EU-Finanzpolitik, ist heute mit 0,6 Prozent Defizit ein Vorbild. Und warum ist Deutschland aus dem Mittelfeld gestartet und heute mit Frankreich mit mehr als drei Prozent das Schlusslicht?

Sie haben in den vergangenen drei Jahren die falsche Finanzpolitik gemacht, massiv über ihre Verhältnisse gelebt und Defizite erwirtschaftet. Wir machen ja auch Reformen, deren negative Auswirkungen auf das Wachstum vernachlässigbar sind. Es gibt genug empirische Beweise dafür, dass Länder, die konsolidiert haben, ein stärkeres Wirtschaftswachstum aufweisen.

Die Musterschüler-Rolle hat Österreich auch dadurch erreicht, dass es die größte Abgabenquoten seit jeher hat.  Können Sie garantieren, dass dieses Mal der Schwerpunkt der Konsolidierung auf der Ausgabenseite liegt?

Grasser: Wir haben 1999 ein Defizit in Höhe von 2,3 Prozent übernommen, bei einer Abgabenquote von 44,4 Prozent. Wir stehen im Jahr 2002 bei einem Defizit von 0,6 Prozent und einer Abgabenquote von 44,6 Prozent. Der Vorwurf, wir konsolidieren hauptsächlich einnahmenseitig, kann also nicht stimmen, da die Abgabenquote nahezu konstant geblieben ist.

Es ist aber schon richtig, dass die Konsolidierung 2001 stärker einnahmenseitig war, und wir hier der Opposition eine Schwachstelle eröffnet haben. Bereits mit 2002 war aber der Beweis erbracht, dass wir ausgabenseitig saniert haben.

Ist nicht eine Schwachstelle, die die Regierung eröffnet, auch der teure Abfangjägerkauf? Es gibt doch billigere Varianten.

Grasser: Ich bin über jede zusätzliche Ausgabe unglücklich, keine Frage. Aber ich sage: Ich behandle budgetär alle gleich schlecht, das ist meine Standardangebot.

Sollte man die Angebote noch einmal evaluieren?

Grasser: Sie wissen, dass ich lange Zeit gegen die Abfangjäger war - doch hat man im Ministerrat gesagt: Okay, wenn von Bundespräsident, Kanzler, Vizekanzlerin abwärts alle sagen, das ist notwendig, dann muss man in einer Demokratie auch bereit sein, das zu akzeptieren und mitzutragen. Seither trage ich das mit, und zwar ohne Kompromisse. Jetzt ist einfach für mich der Verteidigungsminister am Zug, mir ist die Typenentscheidung nie wichtig gewesen.

Aber davon hängen doch auch die Kosten ab!

Grasser: Na klar. Mein Wunschprogramm waren dann auch von Anfang an die gebrauchten amerikanischen F-16. Das ist ein tolles Flugzeug, das meist verbreitete Kampfflugzeug auf der ganzen Welt, vom Irak bis Afghanistan einsatzgeprüft. Aber man hat halt mehrere Spieler am Tisch, und die Bundesregierung hat eine Typenentscheidung getroffen.

Druck von Ihrer Seite, noch einmal ein Auge auf die billigere Variante zu werfen, wird es nicht geben?

Grasser: Ich habe jetzt einmal klare Entscheidungen am Tisch, die ich auch mitgetragen habe, daher ist dieses Thema für mich beendet.

Haben Sie mit dem Verteidigungsminister auch schon über die geplanten Einsparungen beim Heer gesprochen?

Grasser: Wir haben natürlich schon interne Diskussionen geführt, aber ehrlich gesagt, die kolportierten 30 Prozent höre ich zum ersten Mal . . .

Es ging um Einsparungen im Bereich der Truppe.

Grasser: Ich halte die Zahl für völlig illusorisch, so gerne ich Einsparungen tätige.

13. und 14. Monatsgehalt sind tabu?

Grasser: Von meiner Seite wird kein Vorschlag kommen, das 13. und 14. Gehalt zu verändern.

Für den Bundeskanzler ist es auch denkbar, die Steuerhoheit in die Länder zu verfrachten. Für Sie auch denkbar?

Grasser: Absolut. Das ist natürlich schon eine sehr angenehme Position, dass Landesregierungen nur Geldausgeber sind, aber die Einnahmenseite nicht verantworten müssen. Das ist kein Zeugnis besonderer Effizienz. Dass Einnahmen- und Ausgabenverantwortung zusammen gehören müssen, ist normalerweise ein wirtschaftliches Grundgesetz.

Welche Steuern werden Sie den Ländern übertragen?

Grasser: Ich glaube, man muss extrem aufpassen, dass man das System einfach hält - ich wünsche mir keine Schweizer Zustände in Österreich. Jeder will wissen, wenn er in Österreich investiert, wie ist der Körperschaftssatz, und will nicht neun verschiedene Körperschaftssätze haben. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass man die bodenverbundenen Abgaben den Ländern gibt, weil das etwas ist, wo die Länder ohnehin Kompetenz haben: in der Raumordnung mit den Kommunen zusammen in der Widmung, daher wäre es nur logisch, dass man dort auch die bodenverbundenen Abgaben selbst regelt. Man kann auch darüber reden, ob man Teile der Kfz-Besteuerung an die Länder gibt. Ich halte wenig davon, dass man ein Zuschlagsystem zur Einkommensteuer oder zur Lohnsteuer macht, weil das eine enorme zusätzliche Komplexität bringen würde.

Sie waren Gast bei der Wahl Wilhelm Molterers zum VP-Klubchef. Ein Vorgriff auf ihre künftige Heimat?

Grasser: Nein, es ist entschieden und definitiv, dass ich parteifreier und unabhängiger Finanzminister bleibe.

Wie ist für Sie die Zusammenarbeit mit einer Partei, wo ein (einfaches) Mitglied Ihnen eigentlich schon alles bis hin zum "politischen Flachwurzler" nachgesagt hat.

Grasser: Eigentlich gibt es eine große Erleichterung, weil als Unabhängiger hat man diese Einschränkungen auf die Parteipolitik nicht mehr. Mir ist Parteipolitik nicht wichtig, weil ich glaube, dass viel zu viel Partei- und Machtpolitik in Österreich gemacht wird und dass viel zu viele Lobbies ihren Einfluss haben. Und ich habe gelernt über die letzten zehn Jahre, dass ich auf ein derartiges Niveau einfach nicht reagiere.

Enttäuscht von Jörg Haider?

Grasser: Nein, nicht enttäuscht. Ich glaube, wenn Sie Jörg Haider fragen würden, in irgendeiner Art dokumentiert er ja seine Enttäuschung in Aussagen in der einen oder anderen Stilform. Natürlich sind auch bei mir menschliche Verletzungen zurück geblieben, das ist gar keine Frage. Das Jahr 2002 war eine emotionale Hochschaubahn für mich, und es hat halt mehr Tiefpunkte als Höhepunkte gebracht - aber man braucht auch solche Zeiten, wo man durchgehen muss, und stärker daraus hervor geht.

Seit die Regierung gebildet ist, ist auch Jörg Haider wieder da. Wie lange hält diesmal Schwarz-Blau?

Grasser: Ich halte es doppelt mit Sir Karl Popper, der einmal gesagt hat: "Optimismus ist eine Pflicht." Zum Anderen hat er einmal gesagt: "Das Grundgefühl des Lebens ist die Freude." Genau so glaube ich an die Lernfähigkeit von Menschen. Ich gehe einfach davon aus, dass man lernt, und dass man es jetzt besser macht, und dass man dann sehen wird, das geht eine ganze Periode.

Haiders Aussage über "Schüssels Größenwahn" oder "Schüssel wird noch die Rechnung präsentiert bekommen" . . .

Grasser: . . . richtet sich selbst.


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