Öffentliche "Hearings" verfehlen meist ihren Zweck - nicht zuletzt ob der Befangenheit der Experten.
Wien. Auf knapp 700 Seiten sind die neuen Bestimmungen für das Doppel-Budget 2003/2004 ausformuliert. Wer vermag sich angesichts der Masse an Details schon einen Überblick zu verschaffen? Um die Bürger dieses Landes nicht ganz im Regen stehen zu lassen, wird im Parlament alljährlich ein öffentliches "Hearing" abgehalten, in dem unabhängige Experten die Qualität des vom Finanzministerium ausgearbeiteten Zahlenwerks beurteilen sollen.
Das Vorhaben einer unabhängigen Analyse scheint aber schon durch das Procedere in Gefahr. So nominiert jede Partei ihren eigenen "unabhängigen" Experten, die im Parlament Rede und Antwort stehen. Vergangenen Dienstag waren dies der von der ÖVP nominierte Gerhard Lehner (Wifo), SP-Mann Markus Marterbauer (ebenfalls Wifo), die Grünen baten Bruno Rossmann von der Arbeiterkammer Wien ins Hohe Haus.
Die FPÖ war nicht durch einen eigenen Experten vertreten, weil der Linzer Ökonom Friedrich Schneider eine Stunde vor Beginn des Hearings krankheitshalber abgesagt hat. Ein Alternativ-Kandidat sei in der Eile nicht aufzutreiben gewesen, heißt es in der FPÖ.
Generell stellt sich die Sinnfrage derartiger Veranstaltungen. Was ist auch anderes zu erwarten, als dass von Regierungsparteien nominierte Fachleute die Regierungslinie in Budgetfragen nicht durchkreuzen und Oppositions-Kandidaten die Regierungspolitik in der Luft zerreißen? Wie unabhängig kann die Analyse des hauptberuflichen Interessenvertreters Rossmann sein?
Auf eine Gratwanderung haben sich insbesondere die Wirtschaftsforscher begeben. So stellt sich die Frage, wie zwei Experten aus demselben Haus in vielen Bereichen grundlegend verschiedene Auffassungen vertreten können. Wer hat Recht? Wifo-Mann und VP-Berater Lehner oder Wifo-Mann Marterbauer, der im Wahlkampf für die SPÖ ins Rennen ging? Müssen Leser wissenschaftlicher Expertisen künftig vor allem auf den Namen des Autors achten, um richtige Schlüsse ziehen zu können?