Weltordungspolitik   la Bush: Dominanz statt Abschreckung

Die strategischen Ziele der US-Außen- und Sicherheitspolitik werden neu formuliert. Ein Amerika-Experte skizziert die Kernelemente.

REICHENAU. Die USA sind dabei, ihre strategischen Zielsetzungen in der Außen- und Sicherheitspolitik völlig neu auszurichten. Was die einen dabei lediglich als einen Wechsel vom geschminkten Unilateralismus (der Clinton-Ära) zum ungeschminkten Hegemoniestreben (der Bush-Präsidentschaft) sehen, beurteilen andere als einen einschneidenden Paradigmenwechsel, als Übergang zu einer neuen Grand strategy der USA.

Jürgen Wilzewski, Professor für internationale Politik an der Universität Karlsruhe, versuchte bei einer außenpolitischen Expertentagung des Büros für Sicherheitspolitik des Landesverteidigungsministeriums in Reichenau diesen Prozeß der strategischen Umorientierung der USA zu erklären. Der deutsche Amerika-Experte charakterisierte die Weltpolitik   la Bush dabei als "proaktive Ordnungspolitik", in der vor allem der Gedanke der Vorbeugung von herausragender Bedeutung sei.

In der neuen nationalen US-Sicherheitsstrategie, die unter Federführung der Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice ausgearbeitet wurde und die Bush vor drei Wochen dem Kongreß zugeleitet hat, sei dies klar zu erkennen. Die neue Welt der "proaktiven Ordnungspolitik", in die sich die USA durch die Terroranschläge vom 11. September 2001 hineingestoßen fühlen, beschrieb Wilzewski im Bundesheer-Ausbildungsheim Reichenau anhand mehrerer Punkte:

[*] Dominanz statt Abschreckung: Die Bush-Administration hat Abschied genommen von den klassischen Entwürfen der Abschreckung, die die Politik Washingtons über mehr als fünf Jahrzehnte dominierten. An ihre Stelle tritt die Dominanz, der Wille zur unbedingten militärischen Überlegenheit: Je größer die Überlegenheit, desto größer auch die Sicherheit der USA.

Genau deshalb sollen in den kommenden fünf Jahren unvorstellbare 2,14 Billionen Dollar in das US-Verteidigungsbudget fließen. Dieser amerikanische Wille zur Dominanz schließt auch ein, daß Washington keinen Konkurrenten auf der globalen Bühne neben sich duldet, daß aufsteigende Weltmächte des 21. Jahrhunderts - China beispielsweise oder auch Indien - mit amerikanischem Widerstand rechnen müssen.

[*] Vorbeugung statt flexible Reaktion: Der Gedanke des präventiven militärischen Zuschlagens, noch bevor eine Bedrohung für die USA und ihre Verbündeten etwa durch den internationalen Terrorismus oder auch durch sogenannte "Schurkenstaaten" mit Massenvernichtungswaffen zu massiv geworden sind, leitet sich vor allem aus der Erfahrung des 11. Septembers ab.

[*] Ungeschminkter Unilateralismus: Die Maxime der Bush-Administration lautet: "Internationale Institutionen können hilfreich sein, aber sie lösen die Probleme der Welt nicht." Viel lieber setzt Washington deshalb auf "Koalitionen mit Bereitwilligen", und wenn sich solche nicht formieren lassen, ist man auch zum Alleingang bereit.

[*] Renaissance der militärischen Gewaltanwendung als Mittel der internationalen Politik: Die USA schließen, wie das Beispiel Irak zeigt, Krieg als Mittel nicht aus, wenn sie sich in ihrem selbsterklärten Welt-Ordnungsauftrag herausgefordert sehen.

Alles in allem sieht Wilzewski in den USA nach außen hin eine "Rückkehr zum Primat der Sicherheitspolitik", nach innen hin wiederum eine "Rückkehr zur imperialen Präsidentschaft".

Freilich ergeben sich daraus eine Reihe kritischer Fragen, wie sie auch in Reichenau formuliert wurden: Wird die "proaktive Ordnungspolitik" von der amerikanischen Bevölkerung auch mittel- und langfristig mitgetragen? Kann Washington die militärische Überlegenheit weit ins 21. Jahrhundert hinein retten? Sind die US-Steuerzahler auf Dauer bereit, die gigantischen militärischen Anstrengungen zu finanzieren? Für den Karlsruher Politologen bleibt offen, wie sich die amerikanische Hegemonie auf die Welt auswirken wird: "Sie kann konflikteindämmend wirken. Aber sie kann auch überaus konfliktfördernd sein."

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