Wer Mauern baut

Ich habe es satt, mich regelmäßig darüber belehren lassen zu müssen, daß an den radikalen Exzessen des Islam doch letztlich nur wir selbst schuld seien. Von Terror, Armut und Verhöhnung der Menschenrechte: warum ich den Islam suspekt finde - eine Streitschrift.

Ich gestehe: Ich habe es ziemlich satt. Ich habe es ziemlich satt, mich von den selbstbestellten Gralshütern des politisch Korrekten darüber belehren zu lassen, daß "der Islam" in Wahrheit doch gar nicht "so" sei; daß der Islam doch bitteschön überhaupt nichts mit jenem radikalen Islamismus zu tun habe, dessen langbärtige Propheten und Helfershelfer uns Bewohner der westlichen Hemisphäre allesamt zur Hölle wünschen und diesem Bestreben in regelmäßigen Abständen mit Hilfe handelsüblicher Sprengstoffe Nachdruck verleihen.

Ich gestehe: Ich habe es auch satt, mich regelmäßig darüber belehren zu lassen, daß man doch alle Religionen dieser Welt - also auch den Islam - als völlig gleichwertig zu betrachten habe, als bloß unterschiedlich ausformulierte Variationen über dasselbe Thema. Ich gestehe: Ich habe es satt, mich regelmäßig darüber belehren lassen zu müssen, daß an den radikalen Exzessen des Islam doch letztlich nur wir schuld seien. Schuld seien, weil erstens der historische Kolonialismus des Westens und zweitens unser Desinteresse an den sozialen Mißständen in den islamischen Staaten die Menschen erst in die Verzweiflung und dann in den Islamismus trieben. (Komisch bloß, daß es in der nichtislamischen Welt auch ziemlich breite Elendszonen gibt, ohne daß von dort die vollbetankten und menschenbeladenen Zivilflugzeuge in die Türme des Westens gesteuert worden wären.)

Kurzum: Ich mag diese Lügen von der vollkommen Unschuld des Islam am vielfältigen Unglück - des Terrorismus, aber auch des Elends in seiner Hemisphäre - nicht glauben. Ich halte es nicht für vernünftig, all diesen verbalen Schamott wiederzukäuen, der auf Dialogkongressen, Podiumsdiskussionen und in Zeitungsartikeln über uns her fällt mit einer unerträglichen Penetranz. Ich halte vielmehr den Islam für eine wesentliche - wenn auch natürlich beileibe nicht die einzige - Ursache des räudigen Elends, das in zahllosen islamischen Staaten herrscht, und auch für das religiöse Unterfutter jenes radikalen Islamismus, der regelmäßig kleine Kinder, schwangere Mütter und Party feiernde junge Australier tötet; bloß weil sie so leben wollen, wie es ihnen zusteht, daß sie leben wollen.

Ich gestehe deshalb: Ich finde den Islam im Grunde einigermaßen suspekt.

Eine Religion nicht gerade sympathisch zu finden und das auch noch so hinzuschreiben gilt im deutschsprachigen Raum als ungehörig, im mindesten. Mit gutem Grund und schlechtem Ergebnis.

Mit gutem Grunde, weil im deutschsprachigen Raum schon einmal die Verächtlichmachung einer Religion am Anfang und die physische Vernichtung der Gläubigen am Ende stand. Seither herrscht, wieder mit gutem Grund, ein Tabu: das Tabu, keine grundsätzliche Kritik an Religionen zu formulieren.

Mit schlechtem Ergebnis allerdings, weil diese gesellschaftlich erzwungene Äquidistanz zu allem Fremden letztlich zu einer Beliebigkeit verkommt, die keine Werturteile mehr zulassen mag. Wo alles gleich gut und gleich schlecht zu sein hat, verwischt sich jede Verantwortung. Nur: Warum soll der Umstand, daß unsere Vorvorfahren Auschwitz zu verantworten haben, uns daran hindern, eine Religion und wesentliche ihrer Inhalte zu kritisieren; mehr noch, sie schlicht und einfach nicht zu mögen? Wir Anhänger des westlichen Liberalismus werden immer dafür eintreten, daß Muslime hierzulande ihrer Religion ganz nach ihrem Belieben und in aller Freiheit, nach ihrem Geschmack und Gusto nachgehen können. Ich nehme mir deshalb aber auch das Recht heraus zu meinen: Mir ist diese Religion suspekt.

Sie ist suspekt nicht zuletzt deshalb, weil sie genau jenes Grundrecht, das sie im Westen, Gott oder wem auch immer sei Dank, genießt und hoffentlich auch bis ans Ende aller Tage weiter genießen soll, in ihrem eigenen Einflußbereich glatt verweigert; wenn's sein muß, mit handgreiflichen Mitteln verweigert.

"Im Islam", schreibt der Moslem Bassam Tibi in seinem Buch "Die fundamentalistische Herausforderung", "heißt Toleranz nicht mehr als Duldung." Um Mißverständnisse zu vermeiden: Wir reden hier nicht von irgendwelchen radikalen Strömungen, wir verhandeln über den Islam an sich, der andere Weltbilder, andere religiöse Inhalte, andere Normen des alltäglichen Lebens bestenfalls unter sich duldet, sie aber nie auch nur annähernd als gleichberechtigt betrachten will, also so wie unsereins den Islam als gleichberechtigt betrachtet, auch wenn wir ihn nicht mögen sollten. "Die islamische Weltsicht ist im Gegensatz zur kartesianischen, welche sich selbst zur Debatte stellt, keiner Diskussion zugänglich, weil sie auf einer Skriptur (dem Koran) beruht, die für Gottes Wort gehalten wird und daher als absolut jenseits jeder Skepsis betrachtet wird" (Tibi).

Es ist dies nicht eine theologische Frage gleich jener, wie viele Engel wohl auf einer Nadelspitze Platz fänden. Es ist dies vielmehr ein zentraler Inhalt, der über die moralische Wertigkeit einer Glaubensgemeinschaft mitentscheidet. Wer dem Fremden institutionell nicht Toleranz, sondern bloße Duldung - heißt: nicht gleich totschlagen - entgegenbringt, schwächt seine eigene Position. Nicht nur in (sozusagen selbsterklärender) moralischer Hinsicht, sondern auch ganz in der wirklichen Welt: Wer jene Ressourcen, die fremde Kulturen, Religionen, Sitten und Geschichten zwangsläufig innehaben bestenfalls duldet, schneidet sich selbst vom menschlichen, wissenschaftlichen, technologischen und philosophischen Fortschritt weitgehend ab. Diese Erfahrung mußte die DDR machen, diese Erfahrung macht Nordkorea, und diese Erfahrung machen auch die meisten islamischen Staaten: Wer Mauern baut, tatsächliche, politische oder religiös motivierte, mauert sich am Ende immer bloß selber ein.

Der Islam schwächt so diejenigen, die unter seiner Dominanz leben wollen oder müssen, gleichsam immanent. Deshalb ist New York, dieses Stadt gewordene Sinnbild der Toleranz dem Fremden gegenüber, die wohl reichste und prächtigste Stadt dieser Welt geworden; und deshalb schauen die islamischen Metropolen so aus, wie sie halt ausschauen. D
eshalb - wenn auch nicht nur deshalb - ist der liberale Westen den islamischen Staaten in vielfältiger Weise überlegen; und nicht einer kolonialistischen Weltverschwörung wegen, die heute in den islamischen Metropolen beklagt wird wie seinerzeit die jüdisch-freimaurerische Weltverschwörung in einem anderen geschlossenen ideologischen System.

Man kann, wenn man mag, diese dem Islam eigene mindere Toleranz dem Nichtislam gegenüber auch als Erkrankung des sozialen Autoimmunsystems seiner Welt beschreiben; eine Erkrankung, die freilich nicht im Wege der Ansteckung übertragen wird, sondern gleichsam zur genetischen Grundausstattung dieser Religion gehört.

Suspekt ist mir der Islam auch aus einem anderen Grund, der ebenfalls Kern islamischer Weltanschauung ist, wie sie der Koran lehrt: der mehr oder weniger menschenverachtenden Art und Weise, wie er mit immerhin der Hälfte seiner Gläubigen umgeht - den Frauen. Eine Religion, die selbst in ihrer weichstgespülten Ausformung dem Mann das Recht einräumt, seine Frau zu züchtigen; eine Religion, die in ihrem Mainstream den Frauen verbietet, uns Männer durch gelegentliche Darbietung ihrer körperlichen Schönheit zu erfreuen, die das weibliche Haupthaar als verhüllungswürdig betrachtet, eine Religion, die in ihren härteren Spielarten, etwa in Saudi-Arabien oder dem Sudan oder in Nigeria, den Sex mit der falschen Person zu einer für die beteiligte Frau tödlichen Angelegenheit werden lassen kann - eine derartige Religion verdient es einfach nicht, mit jenem Respekt behandelt zu werden, der einer Religion grundsätzlich zustehen mag.

Man muß dazu gar nicht die bekannten Fälle bemühen, von Steinigungen und Erschießungen, von Foltern sonder Zahl, die gläubige Muslime im Namen Gottes des Gerechten an Frauen ausführen zu müssen meinen; es genügt schon die ganze Palette von Diskriminierung und Zurücksetzung, der Frauen in der ganzen islamischen Welt ausgesetzt sind, vom Vorbehalten einer vernünftigen Ausbildung bis zum Zwang, sich die Länge des Rocksaums nicht selbst aussuchen zu können: Eine Religion, die sich in der gelebten Praxis nicht dazu bekennen kann, daß alle ihre Gläubigen zumindest die gleichen Menschenrechte und die gleiche Menschenwürde besitzen; die also zwischen Frauenmenschenrechten und Männermenschenrechten unterscheidet, eine solche Religion macht sich in hohem Maße suspekt.

Gewiß, man kann nicht sagen, daß es nicht auch in den islamischen Ländern in dieser Hinsicht einen gewissen Fortschritt gäbe. In Jordanien etwa, einem der vergleichsweise liberalen islamischen Staaten, werden sie jetzt demnächst ein Gesetz einführen, das es erstmals ermöglichen soll, daß Frauen auch ohne Zustimmung ihres Mannes einen eigenen Reisepaß beantragen dürfen. So sieht das liberale Antlitz des Islam im Jahre 2002 aus - man darf gratulieren.

Woran sich allerdings auch weiterhin nichts ändern wird: daß - einem jüngst von arabischen Experten verfaßten UN-Bericht zufolge - die arabischen Länder, gemessen an den Rechten ihrer Frauen, weltweit an vorletzter Stelle rangieren, nur knapp über den Elendslöchern Zentralafrikas.

Und das soll alles nichts mit dem Islam zu tun haben?

Auch hier gilt, ähnlich wie im Zusammenhang mit dem Tatbestand der mangelnden Toleranz dem Nichtislamischen gegenüber: Den Schaden haben letztlich alle, die diesem System unterworfen sind. Denn eine Ideologie, die die Hälfte der Bevölkerung von jenen Ausbildungs- und Erwerbschancen ausschließt, die Männer genießen, fügt ihrem eigenen Wohlstand nachhaltigen und schwerwiegenden Schaden zu. Ein Land, in dem Frauen aus religiös motivierten Gründen nicht Physikerinnen, Unternehmerinnen oder sonst irgend etwas beruflich werden können, bringt sich selbst um die Hälfte seiner Kraft. Dies, und nicht etwa eine Verschwörung des Westens, ist einer der wesentlichen Gründe für die desolaten ökonomischen Verhältnisse, die in vielen islamischen Ländern herrschen. Aber wie schreibt Bernard Lewis ("Der Untergang des Morgenlandes") so treffend: "In der Regel ist es einfacher und befriedigender, den anderen die Schuld am eigenen Elend zu geben."

Und dann ist da natürlich, last, not least, die Sache mit dem Terror. Die im Westen, und vor allem unter den politischen Eliten des Westens, weitverbreitete Ansicht, man könne sauber zwischen dem islamistischen Terror (der den Islam sozusagen mißbraucht) und den Hunderten Millionen braver Moslems unterscheiden, die nach nichts als Frieden dürsten, ist zwar herzig, aber in hohem Maße naiv.

Denn natürlich ist der Islam - im Gegensatz etwa zu Buddhismus oder Judentum - eine strukturell aggressivere Religion. Bassam Tibi schreibt dazu: "Der Kenner der islamischen Geschichte weiß, daß die islamische Scharia Konformismus, also Frieden, für den Zustand der Schwäche und islamische Dominanz, das heißt Krieg, für den Zustand der Stärke vorschreibt. Nach islamischer Doktrin sind der Ruf nach islamischer Vorherrschaft und der Anspruch auf die Überlegenheit des Islam über andere ein Bestandteil der islamischen Weltanschauung."

Das heißt nicht, daß der Islam zwangsläufig Terror gebiert. Es heißt aber sehr wohl, daß der Islam sich in besonders hohem Ausmaß als Legitimation für jene eignet, die meinen, die Welt mit Massenmord zu einem netteren Platz machen zu können. Nicht zuletzt deshalb, weil der Islam das Sterben für seine Sache in einem Ausmaß verklärt (samt dem Versprechen auf geschlechtliche Vergnügungen mit einer großen Anzahl unberührter Frauen), das uns ziemlich befremden muß.

Genau aus diesem Grunde, weil eben der Islam dieses strukturell aggressive Element in sich birgt, ist es naiv, einen Zusammenhang zwischen Islam und islamistischem Terror zu verleugnen. "Es fällt auf, daß die politischen Optionen zeitgenössischer islamistischer Fundamentalisten mehr und mehr die der jeweiligen Bevölkerungsmehrheiten in den jeweiligen Ländern zum Ausdruck bringen", wie Bassam Tibi richtigerweise feststellt.

Prosaischer formuliert: Wer regelmäßig in islamischen Ländern unterwegs ist, hat nicht gerade den Eindruck, daß sich dort die große Mehrheit der Bevölkerung vor Abscheu gegenüber den Islamisten geradezu ekelerregt schüttelt; statt dessen ist mehr oder weniger klammheimliche Freude oder relativierendes Apologetentum nicht nur ausnahmsweise festzustellen. Zwischen den tatsächlichen Tätern der al-Qaida und dem braven Moslem, der nichts will als seiner Religion nachgehen, existiert eine ungute Grauzone von Sympathisanten, Mitläufern und Entschuldigern, denen der Islam jedenfalls nicht mit auch nur annähernder Entschiedenheit entgegegentritt.

Auch wenn es wissenschaftlich nicht zu beweisen sein wird: Sehr viele Anhänger des Islam erregen sehr nachdrücklich den Eindruck, unsere Liberalität als Ausdruck schierer Schwäche mißzuverstehen

Ich gestehe: Auch das macht den Islam nicht gerade liebenswerter.

Natürlich könnte man gegen all dies einwenden: Auch die katholische Kirche hat im Verlauf ihrer wechselhaften Geschichte ausreichend Unglück über die Menschen gebracht, von den Hexenverbrennungen zur Zeit der Inquisition, die Kreuzzüge, die Legitimierung nicht zu legitimierender Regime, die jahrhundertelange Geringschätzung der Frau bis zum verqueren Verhältnis der Kirche zur Sexualität. Nur: Die katholische Kirche ist heute, vor allem als Folge der Aufklärung, weitgehend dieser unerfreulichen Aspekte entledigt. Die damit verbundene Säkularisierung - und der mit dieser Säkularisierung verbundene Wohlstand - hat die Kirche zu dem gemacht, was sie heute weitgehend ist: eine Privatsache.

Nichts gegen einen Islam, der sich darauf beschränkte, Privatsache zu sein. Nur: Eine derartige Entwicklung ist im Islam, vor allem mangels eines Pendants zur Aufklärung und, damit verbunden, einer wohlstandsmehrenden Säkularisierung der islamischen Welt, weit und breit nicht auszumachen. Daß alle islamischen Staaten (übrigens mit der bemerkenswerten Ausnahme Saudi-Arabien) die "Universelle Deklaration der Menschenrechte" unterschrieben haben, bedeutet deshalb auch herzlich wenig: Solange sie nicht daran denken, diese Deklaration auch zum Fundament ihres nationalen Rechtes zu machen, zählt dieses Bekenntnis ungefähr soviel wie jenes der seinerzeitigen Sowjetunion zu ebendiesen Menschenrechten. Bloßes Papier, sonst nichts.

Ich gestehe deshalb: Solange sich daran nichts ändert, bleibt mir der Islam suspekt. Und solange sich daran nichts ändert, wird der Westen gut beraten sein, seine überlegenen Werte wehrhaft zu verteidigen, anstatt bei jedem Angriff auf diese Werte weinerlich in eine Selbstbezichtigung zu verfallen, für die es keinen hinreichenden Anlaß gibt. Nichts gegen Dialoge - aber einen Dialog kann man bekanntlich nur mit jemandem führen, der auch bereit ist, seine eigenen Überzeugungen der Gefahr der Falsifikation auszusetzen. Die Bereitschaft dazu ist im Islam - und nicht nur bei den radikalen Islamisten - nur sehr gering. [*]

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