Die Evolution des Osterhasen

Die Evolution dieses Naturwunders muss doch ein Beleg für „Intelligent Design“ sein!

Wenige der 4000 Säugetierarten legen Eier, genau genommen nur drei, Schnabeltier, Schnabeligel (aber die sind ohnehin Kloakentiere, keine richtigen Säugetiere), und – der Osterhase (Lepus pasquale). Warum ausgerechnet die Osterhäsin als einzig echtes „Säuge“tier sekundär nicht mehr von Gebärmutterbrüten und Milchproduzieren bestimmt wird, erschließt sich allein aus der evolutionären Geschichte.

Neuesten Forschungen zufolge verteilt jeder verpaarte Osterrammler, das katholische Osterfest als Zeitgeber nützend, Tausende farbige Eier gleichmäßig über die menschlichen Behausungen in seinem riesigen Territorium. Das Rätsel der bislang nicht nachweisbaren Häsinnen wurde erst kürzlich von MitarbeiterInnen der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle im oberösterreichischen Almtal gelüftet.

Die Überraschung war groß: In einer Höhle wurde ein Tier mit normalem Häsinnenkopf gefunden, der Körper aber war auf Kuhgröße angeschwollen und fungiert, ähnlich dem einer Ameisenkönigin, als Eilegemaschine. Ihren Energiebedarf deckt sie mit Fleisch, vor allem von verirrten Wanderern, wie aufgefundene Knochenberge belegten (dokumentiert in: Monty Python: Ritter der Kokosnuss).

Die Evolution dieser Monstrosität offenbart sich im soziobiologischen Kontext: Der gemeine Feldhase (Lepus europaeus) frönt, wie die meisten plazentalen Säugetiere, der Polygynie. Wenig Nahrung und hohe Raubfeinddichte bedingten in Eiszeiten eine lokale Verknappung an Partnern. Diesem Problem begegnen vielen Arten durch Zwittertum, nicht aber die Säugetiere. Der Proto-Osterhase wurde vielmehr monogam, die Plazenta rückgebildet und die Fähigkeit zum Eierlegen aus dem „phylogenetischen Gedächtnis“ geholt. Damit konnte sich das Männchen an der Betreuung der Nachkommen beteiligen, Eier erbrüten und die etwa zwei Wochen vor Ostern schlüpfenden Jungen mit vorgekautem Bärlauch(!) ernähren.


Nacheiszeitlich erlaubte ein erhöhtes Nahrungsangebot an nomadisierendem Volk (siehe Ötzi) eine Ernährungsumstellung und Steigerung der Eiproduktion, womit die Häsin den promisken Rammler trotz zwischenzeitlich erhöhten Partnerangebots an sich zu binden vermag. Die meisten der über das Jahr gelegten Eier dienen diesem Zweck: Der Rammler wird nur dann erhört, wenn er es schafft, einmal pro Jahr an einem einzigen Tag eine Unmenge von Eiern zu verteilen. Mit dieser an sich sinnlosen Übung, und indem er Beute zur Ernährung der Häsin anlockt, muss er seine Eignung als Partner beweisen (oder er wird durch ein umherstreifendes Jungmännchen ersetzt). Um diesen Test für den Rammler noch zu verschärfen, färbt die Häsin die Balzeier mittels ihrer ehemaligen Milchdrüsen auffällig bunt.

Kann die Evolution dieses Naturwunders, dieser Singularität innerhalb der Säugetiere über das Darwinsche System des Zufalls erklärt werden? Oder gar die Verbindung der bunten Balzeier mit dem Osterfest, Eier, die, wohlgemerkt, ein braver monogamer Hase bringt und kein promisker Rammler? Wohl kaum. Sicherlich haben wir es hier mit einem überzeugenden Beleg für „Intelligent Design“ zu tun.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.


kultur@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2007)


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